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24.04.2024

Was ist eine «Finanztransaktionssteuer»? Ein Versuch der Versachlichung.

Da ist sie wieder: Die «Finanztransaktionssteuer»! Ein Ungetüm, auch sprachlich. Zu oft neu erfunden, zu oft missverstanden. Verwirrung ist also vorprogrammiert. Wir ordnen ein.

Hintergrund

Am 3. März 2024 hat das Schweizer Stimmvolk einer Erhöhung der AHV-Altersrente um eine 13. Monatsrate, also um 8.3%, zugestimmt. Wie sie bezahlt werden soll, war nicht Gegenstand der Initiative. Die Politik prüft deshalb jetzt, wie die Finanzierung der 13. AHV-Rente sichergestellt und die der AHV insgesamt stabilisiert werden kann. Namentlich beauftragt das Postulat 21.3440 den Bundesrat, aufzuzeigen, wie eine Finanztransaktionssteuer in der Schweiz aufgebaut sein müsste, um die AHV mittel- und langfristig zu finanzieren. Darüber hinaus soll die Motion 24.3106 den Bundesrat beauftragen, die notwendigen Erlasse zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer konkret auszuarbeiten.

Ungeachtet der Zweckmässigkeit dieser Idee zeigt die öffentliche Diskussion vor allem eines: Dass der Begriff «Finanztransaktionssteuer» alles andere als klar ist. Er wird in Politik und Medien, ja selbst unter Steuerexperten und in internationalen Experten-Gremien, völlig unterschiedlich verwendet. Es scheint daher angezeigt, zunächst die Begrifflichkeiten zu klären.

Überblick

«Finanztransaktionssteuer» oder – gleichbedeutend! – «Finanzmarkttransaktionssteuer» ist zunächst ein Sammelbegriff für eine ganze Kategorie von Steuern. Die folgende Übersicht ist Ausgangspunkt der nachfolgenden Erläuterungen:

Verkehrssteuern

Finanztransaktionssteuern gehören zu den Verkehrssteuern. Diese besteuern Übertragungen zwischen zwei Parteien, nicht die Parteien als solche (keine Personensteuer). Zwar verpflichtet das Gesetz eine Partei formal zur Abführung. Ihm ist aber egal, wenn die Steuer ganz oder teilweise weiterbelastet wird. Dies ist bei Verkehrssteuern der Regelfall, d.h. der Zahlungspflichtige ist wirtschaftlich gar nicht selbst mit der Steuer belastet. Ein Alltagsbeispiel für solche (indirekten) Steuern ist die Mehrwertsteuer, die zwar das Restaurant abführt, über die Rechnung aber der Gast zahlt. Auch Finanztransaktionssteuern belasten nicht die Banken, sondern jeden, der Finanzgeschäfte tätigt (z.B. zur Altersvorsorge). Deshalb sind sie eine Steuer für uns alle!

Rechtsverkehrssteuern

Finanztransaktionssteuern gehören zu den Rechtsverkehrssteuern. Diese erfassen die Übertragung von Rechten, zu denen auch Wertschriften gehören. Keine Rechtsverkehrssteuer und damit auch keine Finanztransaktionssteuer ist deshalb die sogenannte «Mikrosteuer», obgleich sie gern in diesen Kontext gestellt wird. Sie wäre vielmehr eine Geldverkehrssteuer, da sie ihrer Idee nach Zahlungsbewegungen erfassen soll. Eine «Mikrosteuer» gab und gibt es so nirgendwo auf der Welt, sie wäre deshalb ein einzigartiges Experiment! Allenfalls werden partielle Geldverkehrssteuern auf Devisen-Transaktionen hier und da von Ländern in Währungskrisen erhoben (z.B. Argentinien oder Venezuela), da sie wie Kapitalverkehrskontrollen wirken.

Kapitalverkehrssteuern

Finanztransaktionssteuern sind Kapitalverkehrssteuern. Diese erfassen die Übertragung von Rechten an Kapitalien, zu denen vor allem Wertschriften gehören. Keine Kapitalverkehrssteuern sind beispielsweise die Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer oder die Handänderungssteuer auf die Übertragung von Liegenschaften. Kapitalverkehrssteuern sind regelmässig eine Doppelbesteuerung, denn Wertschriften beurkunden lediglich Sachwerte (z.B. sind Aktien Anteile an Unternehmen), die bereits vollumfänglich besteuert sind! Auch deshalb sind sie umstritten.

Finanztransaktionssteuern können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Die Schweiz erhebt mit den «Stempelabgaben», bestehend aus Emissions- und Umsatzabgabe, bereits seit 1918 eine der umfassendsten Finanztransaktionssteuern der Welt. Die wenigen anderen Länder mit Finanztransaktionssteuern schränken diese hingegen auf bestimmte Wertschriften (z.B. nur Derivate), bestimmte Parteien (z.B. nur professionelle Investoren) oder bestimmte Transaktionen (z.B. nur Hochfrequenzhandel) ein. Diese Vielfalt macht sie indessen nicht zu einer anderen Steuer. Die Idee einer Finanztransaktionssteuer in der Schweiz ist deshalb weder neu noch originell. Sie hat sie einfach schon!

Emissionssteuern

Emissionssteuern sind Verkehrssteuern auf die Übertragung von Kapitalien am Primärmarkt. Auf ihm wird der Sachwert (z.B. Anteil an einem Unternehmen) in eine Wertschrift (Aktie) verbrieft und diese erstmalig zum Verkauf angeboten. Auf dem primären Kapitalmarkt finden sich also Unternehmen, die sich zum Auf- oder Ausbau ihres Geschäfts finanzieren wollen, und Investoren, die so ihr Geld anlegen wollen. Mit der «Emissionsabgabe» erhebt die Schweiz bereits eine solche Steuer auf die Finanzierung ihrer Unternehmen mit Eigenkapital – und erschwert so direkt den Auf- und Ausbau ihres Geschäfts!

Börsenumsatzsteuern

Börsenumsatzsteuern sind Verkehrssteuern auf die Übertragung von Kapitalien am Sekundärmarkt. Auf ihm wird die bereits verbriefte Wertschrift wiederkehrend gehandelt. Auf dem sekundären Kapitalmarkt finden sich also solche Investoren, die ihr Geld neu in Unternehmen anlegen wollen (Käufer) und solche, die dies nicht mehr wollen (Verkäufer). Mit der «Umsatzabgabe» erhebt die Schweiz bereits eine solche Steuer auf in- und ausländische Aktien (verbrieftes Eigenkapital), Obligationen (verbriefte Kredite) und Fonds – verteuert so den Kapitalmarkt für die Schweizer Unternehmen und erschwert indirekt den Auf- und Ausbau ihres Geschäfts!

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