Wenn Stablecoins, dann bitte in Schweizer Franken
Die fulminante Entwicklung sowie die internationalen Regulierungsinitiativen haben bei vielen Skeptikern zu einem Umdenken über Nutzen und Akzeptanz von Stablecoins geführt. Heute stehen nicht Ablehnung und Verhinderung, sondern Regeln für eine rechtssichere Herausgabe und Verwendung im Zentrum der Anstrengungen. Die Einsicht, dass Stablecoins gekommen sind, um zu bleiben, scheint sich durchzusetzen. Darauf weisen auch zahlreiche Projekte hin, die von traditionellen Finanzmarktteilnehmern unternommen werden. So will beispielsweise SWIFT, das von Banken im Auslandszahlungsverkehr als globales Gironetz genutzt wird, eine blockchain-basierte Infrastruktur (shared ledger) schaffen, auf der sich tokenisierte Werte international verschieben lassen.
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Die programmierbaren Stablecoins können rund um die Uhr in Echtzeit übertragen und die Zahlung an die gleichzeitige Erbringung einer Leistung gebunden werden. Dies ist besonders vorteilhaft bei grenzüberschreitenden Zahlungen und der Abwicklung komplexer Finanzverträge, beispielsweise bei langen Lieferketten. Dank der Programmierbarkeit von Stablecoins können auch IoT-Geräte oder KI-Agenten eigenständig bezahlen. Dies ermöglicht auch automatische Geldwäschereiprüfungen oder die Sicherstellung, dass die Wallet oder der Empfänger die KYC-Anforderungen erfüllt.
Angesichts dieser seit Langem bekannten Vorteile und der weiterhin pertinenten Stabilitätsrisiken kommt der Meinungsumschwung zugunsten von Stablecoins in so kurzer Zeit überraschend. In ihrem Expertenbericht von April 2025 «Stablecoins in der Schweiz» hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) aus einer Bankenperspektive Stabilitäts- und Disintermediationsrisiken im Detail beleuchtet. Die Ausgabe von wertstabilen Stablecoins kann die Länge und Struktur der Bankbilanz beeinflussen und dadurch die Fähigkeit zur Fristen- und Risikotransformation beeinträchtigen. Die heutigen Geschäftsmodelle der Banken dürften deshalb bei einer sehr breiten Verwendung von Stablecoins zu überdenken sein.
Vor dem Hintergrund, dass die Regierung Trump USD-Stablecoins zur Finanzierung des Staatshaushalts und zur Festigung des Dollars als globale Leitwährung den Weg ebnet, könnten gerade jene Risikoüberlegungen für eine Ausgabe von CHF-Stablecoins aus der Schweiz sprechen. Zentral dabei ist die Frage, auf welche Zahlungsmittel potenzielle Nutzerinnen und Nutzer von CHF-Stablecoins bei deren Fehlen ausweichen würden.
Können solche Nutzer bei fehlenden CHF-Stablecoins auch mit den traditionellen Zahlungsüberweisungsmöglichkeiten erfolgreich wirtschaften, blieben die direkten Effekte eines Abseitsstehens der Schweiz überschaubar. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die Entwicklung der digitalen Wirtschaft dazu führt, dass Geld von Schweizer Bankkonten in Fremdwährungs-Stablecoins abwandert. In diesem Fall wäre das Geld nicht nur der Bankbilanz, sondern als Ausfluss aus der Zahlungsbilanz auch dem Schweizer Geldsystem entzogen.
Ein CHF-Stablecoin bietet einen Ansatz, diesem Risiko entgegenzuwirken. Je nach Ausgestaltung sichert er nicht in jedem Fall die Refinanzierung von Krediten zu den bisherigen Konditionen, er würde jedoch die Gefahr der Aushöhlung des Finanzsystems mitigieren. Die Erlöse aus der Stablecoin-Reserveunterlegung in Form von qualitativ hochwertigen, liquiden CHF-Wertpapieren sowie gegebenenfalls deren Verkäufe auf dem Sekundärmarkt tauchen bei Banken wieder als Einlagen auf. Gleiches gilt bei der Reserveunterlegung mit Zentralbankgeld, da Stablecoin-Emittenten in diesem Fall ebenfalls Wertpapiere verkaufen. Verkauft ein Kunde Stablecoins, fliesst das Geld direkt auf sein Bankkonto und bleibt innerhalb der Bankeninfrastruktur, welche die Reserve hält.
Sollten Stablecoins mit Bankeinlagen unterlegt werden, ist das Risiko der Disintermediation vollständig begrenzt. Diese Betrachtungen gelten für das Gesamtsystem. Das Exposure der einzelnen Bank gegenüber Stablecoin-Risiken hängt von ihrem Geschäftsmodell ab. Mit einer wachsenden Erkenntnis des Nutzens, den Stablecoins Bankkunden stiften können, sind Finanzinstitute und Aufsichtsbehörden gefordert, markttaugliche Lösungen zu ermöglichen.
Aktuell führen solche Überlegungen für die Schweiz jedoch ins Leere, denn de facto ist die skalierbare Herausgabe von Stablecoins in der Schweiz nicht möglich. Will sich die Schweiz die Option offenlassen, eine führende Rolle im Bereich Stablecoins einzunehmen, müssen zuerst rechtssichere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der Bundesrat hat die Zeichen der Zeit erkannt und hierzu einen entsprechenden Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung gegeben. Dieser Rahmen soll den Finanzintermediären eine Möglichkeit geben, ihr Angebot in der Schweiz funktional so zweckmässig und hinsichtlich der Risiken so sicher zu gestalten, dass Nutzerinnen und Nutzer hier ausgegebene Stablecoins in Schweizer Franken der ausländischen Konkurrenz strikt vorziehen.
Dr. Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik und Gesamtprojektleiter Digitale Währungen bei der Schweizerischen Bankiervereinigung.