«Wir müssen die Zukunft unseres Bankenplatzes gestalten»
Der Schweizer Bankenplatz ist ein tragendes Element der Schweizer Volkswirtschaft und eng mit dem Werkplatz verbunden. Das zeigt auch die neue unabhängige Studie «Der Bankenplatz Schweiz: Rolle und Relevanz für die Schweiz», die das Beratungsunternehmen Oliver Wyman im Auftrag der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) erstellt hat. Im Interview erklärt Roman Studer, CEO der SBVg, welche fünf Handlungsfelder über die Zukunft des Finanzplatzes entscheiden und weshalb jetzt ein guter Zeitpunkt ist, um strategische Weichen zu stellen.
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Roman Studer, Industrie, Export, Forschung – das sind wichtige Pfeiler des Schweizer Wohlstands. Was kann der Bankenplatz da noch beitragen?
Sehr viel. Der Bankenplatz erwirtschaftet direkt rund 5 % des BIP, er beschäftigt über 160’000 hochqualifizierte Fachkräfte und leistet jährlich rund CHF 7 Milliarden an Steuern. Nimmt man indirekte Effekte hinzu, also Auswirkungen der Banken auf andere Branchen, mit denen sie stark vernetzt sind, dann können den Banken sogar rund 330'000 Arbeitsplätze, etwa 8 % des BIP und CHF 8,5 Milliarden an Steuern zugeordnet werden. Die Bedeutung des Bankenplatzes geht jedoch weit über diese Zahlen hinaus. Er versorgt Unternehmen mit Kapital, ermöglicht so Investitionen, reduziert Finanzierungskosten und trägt zur wirtschaftlichen Resilienz der gesamten Schweiz bei. Gerade für den Werkplatz Schweiz ist ein starker Bankensektor deshalb unverzichtbar. Er finanziert Investitionen im Inland, eröffnet Zugang zu internationalen Märkten und ist so ein aktiver Partner bei Innovation und Wachstum.
Die neue Studie zeigt, dass der Schweizer Bankenplatz eine enorme Bedeutung für die Volkswirtschaft hat. Doch der Bankenplatz steht auch vor grossen Herausforderungen. Wo siehst du den dringendsten Handlungsbedarf?
Die Stärke des Schweizer Bankenplatzes ist kein Selbstläufer. Wir stehen in einem höchstkompetitiven, globalen Wettbewerb und in einem immer komplexeren Umfeld. Gerade deshalb müssen wir unsere Stärken konsequent nutzen und ausbauen. Es geht darum, Vertrauen und Stabilität zu bewahren und gleichzeitig offen zu bleiben für Neues und Wandel.
Beginnen wir mit Vertrauen und Stabilität. Weshalb sind sie so wichtig?
Vertrauen und Stabilität sind das Fundament unseres Geschäfts. Die Schweiz bietet dafür beste Voraussetzungen: ein stabiles Rechtssystem, solide Institutionen und Finanzen, eine unabhängige Währung und eine breit anerkannte Neutralität. Der Wert dieser Qualitäten ist von zeitloser Relevanz und gewinnt gerade in einer fragmentierten Welt an Bedeutung. Viele Kundinnen und Kunden weltweit entscheiden sich bewusst für die Schweiz, weil sie genau diese Verlässlichkeit suchen. Deshalb ist es entscheidend, die Standortvorteile unseres Landes aktiv zu schützen.
Immer wieder hören wir, dass ein wettbewerbsfähiger Regulierungsrahmen wichtig ist. Wie sieht dieser konkret aus?
Gute Regulierung ist kein Selbstzweck – sie schafft Vertrauen, aber sie darf Wettbewerb und Innovation nicht abwürgen. Unser Ziel ist ein international alignierter Rahmen, der Stabilität garantiert und gleichzeitig unternehmerische Freiräume lässt. Das betrifft nicht nur Kapital- und Liquiditätsanforderungen, sondern auch Themen wie Governance, ESG-Risiken oder die Bekämpfung finanzieller Kriminalität. Wir brauchen klare Regeln, aber auch die Flexibilität, neue Geschäftsmodelle entstehen zu lassen.
Die wirtschaftliche Offenheit ist ein weiteres zentrales Thema mit hoher Aktualität. Wo siehst du die grössten Herausforderungen?
Der Zugang zu internationalen Märkten ist für Schweizer Banken essenziell. Ohne Marktzugang verlieren wir an Relevanz – und das wirkt sich auf das ganze Land aus. Deshalb müssen wir uns verstärkt für praktikable Lösungen einsetzen, die es den Banken ermöglichen, international tätig und erfolgreich zu sein. Gleichzeitig müssen wir unsere Rolle in der Gestaltung der globalen Finanzpolitik aktiv wahrnehmen.
Weshalb ist das für die Schweiz so wichtig?
Die Spielregeln der Finanzwelt, zum Beispiel beim digitalen Zahlungsverkehr, werden zunehmend in internationalen Gremien definiert. Wenn die Schweiz nicht mit am Tisch sitzt, droht sie zum Empfänger von Regeln zu werden, anstatt auf Augenhöhe mitzuwirken. Für einen international stark vernetzten Bankenplatz wie den unseren ist es wichtig, dass wir unsere Interessen in Entscheidungsprozessen direkt einbringen und vertreten können.
Die Reputation ist traditionell ein grosser Wettbewerbsvorteil des Schweizer Bankenplatzes. Wie lässt sich dieser sichern?
Tradition, Qualität sowie Integrität sind unsere Stärken. Deshalb muss unter anderem die Einhaltung von Regeln konsequent und glaubwürdig erfolgen. Verstösse dürfen nicht toleriert werden. Nur wenn wir hier höchste Standards einhalten – sowohl national als auch international –, können wir das Vertrauen bewahren, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Die Reputation ist ein fragiles Gut, das gepflegt werden muss.
Du hast Innovation erwähnt. Wie zukunftsorientiert ist der Schweizer Bankenplatz?
Die Zukunft des Bankenplatzes liegt eindeutig in der Digitalisierung. Technologie ist klar unser wichtigster Wachstumstreiber und da sind wir in der Schweiz gut unterwegs: sei es mit TWINT, Blockchain-Anwendungen oder mit Partnerschaften zwischen Banken und FinTechs. Auch die Bankiervereinigung setzt wichtige Impulse: Ihr Cloudleitfaden hat Banken den Zugang zu cloudbasierten Dienstleistungen erleichtert und ihre Expertenberichte, etwa zu GenAI und Stablecoins, bieten Einblicke in Entwicklungen, die unsere Branche massgeblich prägen. Wichtig bleibt, dass wir uns nicht auf Erfolgen ausruhen. Die digitale Transformation beschleunigt sich – in den Prozessen, im Kundenerlebnis, in der Infrastruktur. Unser Ökosystem ist stark, aber wir müssen dafür sorgen, dass grosse Institute und junge Innovatoren noch enger zusammenarbeiten.
Was wünschst du dir von Politik, Wirtschaft und der Branche?
Wir müssen den Bankenplatz als strategisches Gesamtprojekt verstehen. Politik, Aufsicht, Finanzinstitute, Start-ups – alle sind gefragt. Mein Wunsch: mehr Dialog, mehr Mut zur Gestaltung und mehr gemeinsamer Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit – insgesamt mehr «Team Schweiz». Zudem dürfen wir nicht nur reagieren – wir müssen proaktiv agieren. Das ist unsere Verantwortung und unsere Chance.