«Überfällige Klarstellung in den USA ist hier gelebte Praxis.»
Drei nationale Bankenregulatoren in den USA haben vor einigen Wochen ein gemeinsames Statement veröffentlicht, um weiter Klarheit über die Aktivitäten von Banken im Zusammenhang mit digitalen Vermögenswerten zu schaffen. Im Gespräch mit Stephan Zimmermann, General Counsel der Sygnum Bank, beleuchtet Andrea Luca Aerni, Policy Advisor Digital Finance bei der SBVg, wie Schweizer Banken diese Anforderungen schon längst erfüllen, warum der Schweizer Regulierungsrahmen im internationalen Vergleich als robust gilt und welche Herausforderungen dennoch bestehen.
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Q: Stephan, das erwähnte Statement soll insbesondere Risikomanagementaspekte hervorheben, die Banken bei der Verwahrung von digitalen Vermögenswerten im Auftrag ihrer Kunden oder bei deren Aufbewahrung berücksichtigen sollten. Wie sieht die Situation in der Schweiz aus? Gibt es Unterschiede zum US-Ansatz?
A: Es wird nun in den USA betont, dass Banken eine Verwahrung von Krypto-Assets nur in «sicherer und solider Weise» anbieten dürfen und alle anwendbaren Gesetze eingehalten werden müssen. Wichtig ist: Die US-Behörden schaffen damit keine wirklichen neuen Vorschriften, sondern erinnern an bestehende Grundsätze und signalisieren, dass sie weiter an zusätzlicher Klarheit arbeiten. Dieses Statement unterstreicht also vor allem Vorsicht und Sorgfalt bei «Digital Asset»-Dienstleistungen durch Banken.
Q: Die Schweiz gilt hier als Vorreiterin?
A: Genau. Bereits vor mehr als fünf Jahren stellte die Schweiz regulatorische Weichen für digitale Vermögenswerte. Anders als die USA, die nach langer Unsicherheit erst jetzt mit neuen Vorgaben Klarheit schaffen, nutzte die Schweiz primär ihren bestehenden Rechtsrahmen technologieneutral: Statt ein einziges neues Gesetz für digitale Vermögenswerte zu erlassen, passte sie bestehende Gesetze (u.a. Finanzmarktgesetze) gezielt an und ergänzte sie durch verschiedene FINMA Publikationen.
Q: Gibt es weitere Punkte, in denen sich die Schweiz unterscheidet?
A: Die Schweiz regelte früh die Absonderbarkeit, von verwahrten digitalen Vermögenswerten im Fall einer Bankeninsolvenz. Diese können im Konkursfall aus der Konkursmasse abgesondert werden, was das Gegenparteirisiko eliminiert. Die Schaffung dieser klaren Eigentumsrechte für Kunden macht die Schweiz für Verwahrdienstleistungen äusserst attraktiv. In den USA sind die Rechtsgrundlagen für die insolvenzrechtliche Behandlung von digitalen Vermögenswerten noch im Fluss. Die gemeinsame Stellungnahme der US-Bank-Regulatoren gibt Banken Sicherheit, dass die Verwahrung von digitalen Vermögenswerten den bestehenden Standards unterliegt. Sie klärt jedoch nicht, ob von Kunden gehaltene digitale Vermögenswerte bei einer Bankeninsolvenz geschützt sind. Diese Lücke zu schliessen bleibt ein zentrales Handlungsfeld für die regulatorische Weiterentwicklung in den USA.
Q: Hier ist die Schweiz also noch einen Schritt voraus. Welche Rolle spielt dabei der Marktzugang für eine Bank wie Sygnum? Wird der US-Markt nun attraktiver, um Dienstleistungen dahin zu exportieren und den US-Markt zu bearbeiten?
A: Generell ist der Marktzugang für eine international orientierte Bank wie Sygnum essenziell und nicht nur wir, sondern ein Grossteil der schweizerischen Wirtschaft ist auf offene Märkte angewiesen. Die heimische Kundenbasis ist begrenzt und viele Geschäftsmodelle können im Inland nicht ausreichend skalieren. Die Schweiz hat traditionell diverse Vorteile: hoher Vertrauensbonus der «Marke Schweiz», Innovationsruf und multilinguale Kompetenz, was die Nachfrage nach Schweizer Dienstleistungen erhöht. Der US-Markt, als grösster Finanzmarkt der Welt, wird natürlich mit den aktuellen Entwicklungen und durch klare Spielregeln berechenbarer, offener und damit attraktiver.
Q:…und Sygnum ist über die Schweizer Grenzen hinaus international vertreten.
A: Ja – Allerdings sind wir uns den erhöhten rechtlichen und regulatorischen Risiken bewusst, die insbesondere der amerikanische Markt mit sich bringt und dem wir uns, jedenfalls aktuell, nicht ausgesetzt sehen wollen. Trotz gestiegener Attraktivität dürfen zudem die Einstiegshürden nicht ignoriert werden. Die USA haben ein komplexes Regulierungssystem auf Bundes- und Bundesstaatenebene. Wir profitieren jedoch indirekt von den positiven Entwicklungen im Zusammenhang mit der zunehmenden regulatorischen Sicherheit in den USA, da sich die Branche dadurch zunehmend professionalisiert und institutionalisiert. Für uns gilt aktuell, dass wir den US-Markt aufmerksam beobachten und sich unter Umständen Opportunitäten für Technologiepartnerschaften im Bank-to-Bank Bereich ergeben.
Q: Wie sollte die Schweiz ihre Beziehungen zur EU und den USA gestalten, um offene Märkte und gegenseitige Marktzutrittsabkommen zu fördern?
A: Unabhängig von der Region wünschen wir uns offene Märkte und gegenseitige Marktzutrittsabkommen. Die Schweiz sollte an internationaler Anerkennung und Äquivalenz arbeiten. Denkbar wären z.B. Abkommen mit der EU, analog zum UK MRA, um Schweizer Banken die Dienstleistungserbringung grenzüberschreitend zu erleichtern. Die jüngsten Entwicklungen deuten jedoch leider in eine andere Richtung. Auch mit den USA könnte der Dialog gesucht werden, um etwa «compliant foreign stablecoin issuers» aus der Schweiz Zugang zu geben. Interessanterweise sieht das neue der US-GENIUS-Act zu Stablecoins Ausnahmen für ausländische Emittenten vor, die vergleichbaren Standards genügen. Als aktive Branchenvertreterin und SBVg-Verbandsmitglied unterstützen wir solche Gespräche und haben unsere Sichtweise beispielsweise jüngst in einem Treffen mit Rep. French Hill, dem Vorsitzenden des House Financial Services Committee, eingebracht.
Q: Gemäss FINMA haben wir in der Schweiz zurzeit ca. 40 Finanzinstitute die im Geschäftsfeld digitaler Vermögenswerte unterwegs sind. Was müssen Banken und andere regulierte Marktteilnehmer strategisch bedenken, wenn sie ihren «Digital Assets» Fussabdruck ausbauen oder überhaupt in Finanzdienstleistungen mit Blockchain-Bezug einsteigen wollen?
A: Korrekt, und es werden kontinuierlich mehr. Sygnum bedient bereits mehr als 20 Schweizer Banken welche erkannt haben, dass digitale Vermögenswerte zunehmend wichtig werden. Viele Banken beobachten derzeit einen Abfluss von Vermögenswerten hin zu neuen und schwächer regulierten Akteuren. Die Schweizer Erfahrung zeigt, dass Pioniere belohnt werden. Natürlich ist es wichtig, nichts zu überstürzen: Die Balance zwischen Innovation und Risikomanagement muss stimmen. Der Austausch mit dem Regulator sollte frühestmöglich gesucht werden. Der Aufbau von Know-how im Bereich Blockchain und digitale Vermögenswerte sowie insbesondere im Risikomanagement und Compliance darf dabei nicht unterschätzt werden. Eine weitere grosse Herausforderung ist die technische Infrastruktur, die die Verwahrung und den Handel ermöglicht. Es stellen sich auch hier klassische «Make-or-Buy» Fragen. Wichtig ist eine positive Grundeinstellung gegenüber Innovation. Digitale Vermögenswerte sollten als Chance für neue Ertragsquellen, das Halten von Kundenvermögen, für die Verjüngung des Kundenstamms und für Effizienzgewinne (z.B. dank der Automatisierung durch Smart Contracts) begriffen werden. Wer diese Vision teilt und strategisch umsetzt, wird seinen Fussabdruck nachhaltig vergrössern können.
Q: Was kann die Schweiz noch besser machen, um die Führungsposition im Bereich von regulierten Finanzdienstleistungen mit digitalen Vermögenswerten weiterhin aufrechterhalten zu können? Was wären drei konkrete Massnahmen von Behörden, Industrie oder Verband die du dir für die kommenden Monate wünschen würdest?
A: Die Schweiz hält heute noch eine gute Position bei regulierten Finanzdienstleistungen mit digitalen Vermögenswerten. Um diese Position zu sichern und auszubauen, braucht es aus meiner Sicht mitunter drei konkrete Massnahmen:
Klare Regeln für digitale Währungen: Der Rechtsrahmen für digitale Währungen wie Deposit Token und Stablecoins ist entscheidend. So fehlt es beispielsweise an kohärenten Rahmenbedingungen, die Innovation ohne unnötige Hürden fördern, obwohl die Schweiz prinzipiell über Rechtsinstrumente verfügt diese zu behandeln. Digitale Währungen sind aus meiner Sicht ein Schlüssel für digitale Zahlungen und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes. Ziel muss sein, den Schweizer Franken im digitalen Raum zu verankern - sei dies über einen Stablecoin oder auch über einen Deposit Token wie von der SBVg und drei Banken kürzlich getestet - bevor internationale Angebote dominieren.
Internationaler Marktzugang: Als kleine, exportorientierte Volkswirtschaft ist der Marktzugang zentral. Schweizer Banken sollten ihre Dienstleistungen in anderen Märkten (insb. EU und USA) anbieten können, ohne durch überbordende Doppelregulierungen ausgebremst zu werden. Dafür braucht es Äquivalenzvereinbarungen und eine proaktive Rolle der öffentlichen Schweiz in internationalen Gremien. Auszuloten wäre, ob eine Zusammenarbeit in Regulierungsfragen (z.B. gemeinsame Standards bei der Travel Rule oder technischen Sicherheitsstandards) möglich ist. Auch mit asiatischen Finanzplätzen sollten wir den Informationsaustausch pflegen und wo möglich Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Regeln schliessen. Diese «Digital Asset-Diplomatie» ist zwar keine einfache oder kurzfristige Massnahme, aber strategisch wichtig. So bleibt der Finanzplatz global anschlussfähig.
Beteiligung an der Diskussion zum «Basler Krypto Standard»: Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, hatte im Jahr 2022 einen Satz von Standards verabschiedet, in dem dargelegt wird, wie Banken Risiken im Zusammenhang mit digitalen Vermögenswerten managen und offenlegen sollen. Dessen restriktive Qualifikationsstandards, kombiniert mit strafenden Eigenkapitalanforderungen für Markt- und Kreditrisiken, machen es für Banken faktisch unwirtschaftlich, in bedeutendem Umfang am Markt für digitale Vermögenswerte teilzunehmen. Dieser hat sich seit 2022 jedoch erheblich verändert, wodurch der vorgeschlagene Standard inzwischen zu konservativ ist. Aus diesem Grund haben internationale Banken- und Kapitalmarktverbände gegenüber dem BCBS jüngst eine Revision des Standards verlangt. Diese Diskussion muss in den kommenden Monaten auch in der Schweiz geführt werden.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass die Schweiz insgesamt sehr gut dasteht. Es wurde mit klaren Regeln früh Pionierarbeit geleistet. Das US-Statement bestätigt im Grunde Praktiken, die in der Schweiz schon gelten: sorgfältiges Risikomanagement, Einhaltung aller Vorschriften und Kundenschutz bei der Verwahrung von digitalen Vermögenswerten. Beide Regime verfolgen «same risk, same rules». Zu erwähnen gilt es aber auch, dass die Schweiz etwas an Vorsprung eingebüsst hat. Wir müssen das Heft wieder aktiv in die Hand nehmen und wachsam bleiben. Andere Jurisdiktionen arbeiten mit hoher Geschwindigkeit am Ausbau ihrer Regulierung. Insbesondere in Bereichen wie z.B. Stablecoins und DeFi müssen wir für Klarheit sorgen, um unsere Führungsrolle weiter auszubauen.
Vielen Dank für die Ausführungen lieber Stephan. Wir sind gespannt, wie es in diesem dynamischen Thema weitergehen wird und wünschen weiterhin viel Erfolg!