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25.09.2025

Unsere Natur – lieb und teuer. Möglichkeiten und Grenzen privater Finanzierung

Eine Studie von Swiss Banking zusammen mit der Boston Consulting Group quantifiziert erstmals die für die Schweiz erforderlichen naturbezogenen Investitionen und liefert Erkenntnisse über die Finanzierungsmöglichkeiten durch Banken.

Die Schweizer Berge verdeutlichen sehr gut, wie Nutzen und Risko zwei Seiten derselben Medaille sind: Auf der einen Seite feierte der Schweizer Tourismus erst einen historischen Rekord, auf der anderen stehen die Schäden durch den Bergrutsch in Brienz wie auch beim Bergsturz in Blatten. Natur ist eben – neben vielen anderen Dingen – sowohl «Rohstoff» für die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten als auch ein Risikofaktor für die Wirtschaft. Die Wahrnehmung dieser an sich nicht neuen oder überraschenden Erkenntnis ändert sich gerade grundlegend.

Natur als Risiko

Da ist zum einen das Rundschreiben 2026/01 der Finma, welches im Dezember 2024 veröffentlicht wurde und ihre Aufsichtspraxis zum Management von klima- und weiteren naturbezogenen Finanzrisiken konkretisiert. Das Rundschreiben, das nicht nur für Banken, sondern auch für Versicherer gilt, tritt stufenweise ab dem 1. Januar 2026 in Kraft. Es geht bewusst und angelehnt an internationale Rahmenwerke über das schon länger bekannte Thema Klima hinaus. Es soll helfen, «[…] die Resilienz der Beaufsichtigten gegenüber diesen Risiken zu stärken und damit auch deren Kundinnen und Kunden sowie den Finanzplatz Schweiz zu schützen.»

Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand. 
 

- Charles Darwin

Natur als Chance

Die Natur ermöglicht aber auch ökonomische Chancen. Eine wesentliche Grundlage dafür ist das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, das die Schweiz – wie auch 195 andere Staaten– im Dezember 2022 unterzeichnet hat. Die Schweiz hat sich damit verpflichtet, den Natur- und Biodiversitätsverlust zu stoppen, der unter anderem durch nicht nachhaltige Landnutzung, Verschmutzung und den Klimawandel verursacht wird. Um diesem Druck auf die Schweizer Natur etwas entgegenzusetzen, bedarf es entsprechender Investitionen.

Was bis jetzt allerdings gefehlt hat, war eine Quantifizierung des dafür notwendigen Finanzierungsbedarfs. Diese Lücke schliesst nun eine Studie, welche Swiss Banking mit der globalen Unternehmensberatung Boston Consulting Group gemeinsam erarbeitet hat. Damit wird erstmals eine quantitative Faktengrundlage für die Diskussion und Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern, Finanzinstituten und anderen Interessengruppen geschaffen.

Investitionsbedarf für die Schweiz steigt

Um ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen, sind zum Schutz von Natur und Biodiversität in der Schweiz bis 2050 jährliche Investitionen in der Höhe von 5,3 Mrd. CHF erforderlich. Bei den zehn Handlungsfeldern beziehungsweise Finanzierungsbereichen, die im Rahmen der Studie als die wichtigsten für die Widerstandsfähigkeit der Natur identifiziert wurden, stammen nach aktueller Regelung 85 Prozent aus öffentlichen Mitteln. Gründe für diese hohe Zahl sind der hohe Anteil öffentlicher Vermögenswerte sowie die begrenzte wirtschaftliche Rentabilität vieler Massnahmen. So gehören denn auch zu den grössten Finanzierungsbereichen – mit über 75 Prozent des Gesamtbedarfs –die Wasser-/Abwasserinfrastruktur sowie die regenerative Landwirtschaft.

Die Herausforderung liegt nun in der Differenz zu den aktuellen jährlichen Ausgaben, die sich auf schätzungsweise 3,2 Mrd. CHF pro Jahr belaufen. Um diese zusätzlichen 2,1 Mrd. CHF pro Jahr – ein Anstieg von rund 66 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau – zu stemmen, erscheint es in Anbetracht der mindestens mittelfristig angespannten öffentlichen Finanzen unerlässlich, mehr private Mittel für die Erreichung der Naturziele der Schweiz zu mobilisieren.

Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen

Damit die Schweizer Banken in Zukunft dieses Kapital in grösserem Umfang bereitstellen können, gibt es zuerst einige Hürden zu überwinden: Es bedarf einerseits stärkerer Nachfragesignale, einer Pipeline investierbarer Projekte, einheitlichere Daten sowie gemeinsame Benchmarks als Richtschnur für künftige Massnahmen. Andererseits stellen die bereits erwähnten begrenzten finanziellen Erträge bei Investitionen in Naturkapital, fragmentierte Metriken und ein Mangel an standardisierten Rahmenwerken eine grosse Herausforderung dar.

Marktwirtschaftliche Mechanismen können dazu beitragen, die wirtschaftliche Tragfähigkeit zu verbessern und so privates Kapital wirksam mobilisieren. [BA1] Beispiele dafür wären Blended Finance zur Verringerung des Risikos von noch nicht tragfähigen Projekten oder die private Kofinanzierung öffentlicher Investitionen in Infrastrukturen oder Dienstleistungen mit stabilen Geldflüssen.

Banken können bei der naturbezogenen Transformation in der Schweiz auf verschiedene Arten unterstützen. Sie können Sustainable-Finance-Instrumente wie grüne und nachhaltigkeitsbezogene Kredite und Anleihen anbieten, Kundinnen und Kunden – insbesondere KMU mit begrenzten Nachhaltigkeitskapazitäten eine massgeschneiderte Beratung bieten oder durch Partnerschaften mit Akteuren des Ökosystems Finanzierungen dort ermöglichen, wo Nachfrage und Projektbereitschaft bestehen. Allerdings sind die direkten Einflussmöglichkeiten von Banken beschränkt.

Finanzierungsmöglichkeiten für die Naturtransition in der Schweiz
Zusätzliche Investitionen in Wasserinfrastruktur und regenerativer Landwirtschaft erforderlich

Weil das Thema Natur neuer, wesentlich breiter und auch komplexer als das Thema Klima ist, unterstützt Swiss Banking ihre Mitglieder aktuell durch die Bildung einer Arbeitsgruppe, die als Informations- und Austauschplattform dient.

InsightSustainable Finance

Autoren

Erol Bilecen
Leiter Sustainable Finance
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