Mit Paragrafen Zukunft gestalten
Claudio Fäh, neuer Leiter Legal & Compliance bei Swiss Banking, über seinen Start, was ihn beschäftigt und weshalb gute Regeln Freiraum schaffen.
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Herr Fäh, heute würde man sich kaum noch wundern, wenn man an der Kaffeemaschine erst eine Datenschutzerklärung bestätigen müsste. Ist die Welt tatsächlich riskanter geworden oder nur die Disclaimer länger?
Der Eindruck täuscht: Die Welt ist nicht riskanter, sondern komplexer geworden, besonders in rechtlichen Fragen. Beim Datenschutz gehört die Schweiz zu den strengsten Ländern weltweit, um die Gleichwertigkeit mit der EU zu sichern. Das ist für unsere Wirtschaft entscheidend. Es zeigt aber auch, wie wichtig uns der Schutz unserer Privatsphäre und informationellen Selbstbestimmung ist.
Sie sind seit Juli 2025 Head Legal & Compliance bei Swiss Banking. Wie war Ihr Start und was hat Sie in den ersten Wochen am meisten überrascht?
Mein Start fiel genau in die Zeit der Erarbeitung unserer Stellungnahme zu den Eckwerten des Bundesrates betreffend Bankenstabilität. Entsprechend intensiv und spannend verlief der Einstieg. Besonders positiv überrascht hat mich die ausgesprochen konstruktive Zusammenarbeit innerhalb von Swiss Banking. Ebenso beeindruckt hat mich das grosse Engagement unserer Arbeitsgruppen- und Kommissionsmitglieder für einen starken und stabilen Finanzplatz.
Zuvor waren Sie während rund 15 Jahren in Unternehmen tätig. Was hat Sie dazu bewogen, den Schritt in die Verbandswelt zu machen?
Während dieser Zeit war ich bereits in verschiedenen Arbeitsgruppen von Swiss Banking aktiv. Den Austausch mit anderen Mitgliedern und die Möglichkeit, an wichtigen Weichenstellungen für den Finanzplatz mitzuwirken, habe ich als sehr bereichernd erlebt. Besonders interessant fand ich den gemeinsamen Meinungsbildungsprozess, bei dem unterschiedliche Perspektiven zusammenfinden und zu tragfähigen, praxisnahen Lösungen führen. Mit der anstehenden Revision der Too-big-to-fail-Regulierung und des Geldwäscherei-Dispositivs ist jetzt ein besonders spannender Zeitpunkt, um bei Swiss Banking einzusteigen und einen wichtigen Beitrag für den Finanzplatz zu leisten.
Welche Themen stehen für Sie und Ihr Team derzeit ganz oben auf der Agenda?
Wir beschäftigen uns aktuell mit drei zentralen Themen: Erstens mit der Revision der Too-big-to-fail-Regulierung, bei der es uns darum geht, die Stabilität des Finanzplatzes zu stärken, ohne seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Zweitens mit dem überarbeiteten Geldwäscherei-Dispositiv, das die Integrität des Finanzplatzes auch in Zukunft gewährleisten soll. Und drittens mit rechtlichen Fragen rund um die Digitalisierung – etwa beim Einsatz Künstlicher Intelligenz oder von digitalen Währungen –, wo es unter anderem darum geht, die Balance zwischen Innovation und Sicherheit zu wahren.
Wo sehen Sie diesbezüglich die grösste Herausforderung?
Eine der grössten Herausforderungen besteht darin, das richtige Verhältnis zwischen Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes zu halten. Derzeit beobachten wir beispielsweise, dass viele Länder ihre Bankengesetzgebung zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit lockern, während in der Schweiz ein Trend zu einer Verschärfung der Vorgaben besteht. Im Interesse unserer Mitglieder setzen wir uns deshalb bei jedem Gesetzgebungsvorhaben dafür ein, dass Regulierung zukunftsfähig, praktikabel und verhältnismässig bleibt und damit nicht nur die Finanzstabilität, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit unseres Finanzplatzes stärkt.
Welche Rolle spielen Sie und Ihr Team dabei?
Wir analysieren neue Gesetzgebungsvorhaben frühzeitig und bewerten ihre Auswirkungen auf die Banken. In unseren Arbeitsgruppen und Kommissionen erarbeiten wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern fundierte, breit abgestützte Stellungnahmen, die wir fristgerecht in die Vernehmlassungen einbringen. Darüber hinaus kommunizieren wir öffentlich, um Verständnis für unsere Anliegen zu schaffen und suchen den Dialog mit Bund, Parlament und FINMA, um Lösungen frühzeitig und konstruktiv zu gestalten.
Wie verändert die zunehmende Digitalisierung das Verständnis von Compliance und Verantwortung?
Am Ende bleibt Compliance immer eine menschliche Verantwortung. Künstliche Intelligenz kann Prozesse etwa in der Geldwäschereibekämpfung effizienter machen, ersetzt aber nie das kritische Urteilsvermögen der Mitarbeitenden. Gleichzeitig nehmen Cyberrisiken zu, besonders, wenn Kriminelle selbst KI nutzen. Umso wichtiger ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Banken, IT-Anbietern und Behörden.
Wo möchten Sie eigene Akzente setzen?
Ich lege als Jurist Wert auf eine dienstleistungs- und lösungsorientierte Arbeitsweise. Mein Ziel ist es, für unsere Mitglieder spürbaren Mehrwert zu schaffen, sei es durch rechtliche Unterstützung oder durch mehr Sichtbarkeit nach aussen. Künftig möchten wir unsere Mitglieder noch direkter über regulatorische Entwicklungen informieren, etwa durch Webinare oder Fachforen. So fördern wir den Austausch und stellen sicher, dass die Erfahrungen aus der Praxis in unsere Positionen und Stellungnahmen einfliessen.
Compliance gilt oft als Pflichtdisziplin. Wo sehen Sie darin Gestaltungsspielraum oder sogar Chancen für den Finanzplatz?
Compliance ist weit mehr als eine Pflichtübung. Sie kann echten Mehrwert schaffen. Eine starke Compliance-Kultur ist ein Qualitätsmerkmal und kann zum Wettbewerbsvorteil werden. Wie Compliance in einer Bank gelebt wird, bietet viel Gestaltungsspielraum: Wenn Regeln sinnvoll und effizient umgesetzt sind, werden sie Teil des Arbeitsalltags, ohne den Handlungsspielraum der Mitarbeitenden einzuschränken.
Wenn Sie an die Zukunft des Finanzplatzes denken, wo würden Sie den Finanzplatz in zehn Jahren gern sehen?
Ich bin überzeugt, dass der Schweizer Finanzplatz auch in zehn Jahren eine zentrale Rolle für die Wirtschaft unseres Landes spielen wird. Politische Stabilität, eine starke Währung und hervorragend ausgebildete Fachkräfte bleiben unser Fundament. Entscheidend wird sein, dass wir diese Basis mit einer klugen, ausgewogenen Regulierung sichern, damit der Finanzplatz auch künftig innovativ, stabil und international wettbewerbsfähig bleibt.
Und wo findet man Sie, wenn Sie nicht über Gesetzesentwürfe brüten?
Im Sommer auf dem Bike oder den Langlaufskiern im Engadin, wo ich aufgewachsen bin. Als passionierter Taucher bin ich häufig auch unter Wasser anzutreffen. Letzteres verbinde ich gerne mit meiner Leidenschaft zu reisen.