Erste Finanzdelegation der Schweiz an der COP28
Die COP (Conference of the Parties) ist weltweit wohl die bekannteste Klimakonferenz und widmet sich jährlich den Herausforderungen des Klimawandels. Zum einen finden Verhandlungen zu Massnahmen zwischen den Staaten statt, zum anderen wird überprüft, ob getroffene Vereinbarungen eingehalten werden. Die 28. Konferenz – also die COP28 – findet vom 30. November bis zum 12. Dezember 2023 in Dubai statt. Dieses Jahr reist die Schweiz erstmals mit zwei Delegationen an: Nebst der offiziellen Schweizer Verhandlungsdelegation, die jedes Jahr vertreten ist und sich aus Behördenvertretenden und ausgewählten Personen aus der Zivilgesellschaft zusammensetzt, ist auch zum ersten Mal die Building Bridges Delegation mit dabei, die aus hochrangigen Vertretenden aus der Schweizer Finanzbranche besteht und durch das SIF geleitet wird.
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Anlässlich der COP28 hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ein Interview mit Caroline Wehrle, Senior Policy Advisor für nachhaltige Finanzen beim SIF und verantwortlich für die Koordination der Building Bridges Delegation an der COP28, geführt.
Weshalb ist die COP28 wichtig für die Schweiz und den Finanzsektor?
Caroline Wehrle: Die COP ist nicht nur eine zentrale Konferenz für Klimaverhandlungen. Parallel zu den Verhandlungen findet eine Vielzahl von Veranstaltungen und Treffen zu Sustainable Finance-Themen statt. Die hohe Dichte an Vordenkerinnen und -denkern sowie Entscheidungsträgerinnen und -trägern im Klima- und Umweltbereich fördert den engen Austausch und ermöglicht die effiziente Durchführung bilateraler Treffen. Für das SIF besonders relevant ist der Finance Day am 4. Dezember, an welchem die bedeutendsten Veranstaltungen an der Schnittstelle zwischen Umwelt und Finanzen stattfinden. Er bietet die Gelegenheit, die neusten globalen Entwicklungen im Bereich Sustainable Finance mitzuverfolgen und sie aktiv mitzugestalten.
Die Schweiz wird dieses Jahr erstmals mit zwei Delegationen an der COP28 vertreten sein. Was sind die Gründe?
Die offizielle Verhandlungsdelegation der Schweiz setzt sich insbesondere dafür ein, dass das Übereinkommen von Paris, das die Schweiz 2017 ratifiziert hat, effektiv umgesetzt wird. Die Verhandlungen finden Tag und Nacht hinter verschlossenen Türen statt. Die starke Beanspruchung der Verhandlerinnen und Verhandler führt dazu, dass sie kaum bei den verschiedenen Veranstaltungen auf dem COP-Gelände anzutreffen sind. Diese Lücke kann die Building Bridges Delegation gut füllen.
Was sind die Unterschiede zwischen den beiden Delegationen? Inwiefern ergänzen sie sich?
Es gibt verschiedene Gründe, die dafürsprechen, nebst der offiziellen Verhandlungsdelegation eine Delegation von hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Finanzbranche an die COP zu schicken. Erstens erlaubt uns eine solche Delegation, die Schweiz international besser als führenden Finanzplatz für nachhaltige Finanzen zu positionieren. Schweizer Ansätze und Massnahmen können aktiv bei Veranstaltungen und bilateralen Treffen präsentiert werden. Zweitens können sich die Delegationsteilnehmenden über die neusten Initiativen im Nachhaltigkeitsbereich informieren und dadurch besser einschätzen, wie der Schweizer Finanzplatz relativ zu anderen Finanzzentren abschneidet, wo es zukünftig Opportunitäten gibt und wo noch Aufholbedarf besteht.
Was hat das SIF dazu bewogen, nebst der Schweizer Verhandlungsdelegation die Building Bridges Delegation zu lancieren?
Die Schweiz war in den letzten Jahren im Bereich Sustainable Finance sehr aktiv, insbesondere mit dem Ziel, mehr Transparenz und Vergleichbarkeit im Markt zu schaffen. Konkret wurden Offenlegungspflichten basierend auf der Task Force on Climate Related Financial Disclosures (TCFD) und die Swiss Climate Scores lanciert sowie freiwillige Klimaverträglichkeitstests, sogenannte PACTA-Tests, durchgeführt. Auf internationaler Ebene hat die Schweiz bei der Schaffung einer internationalen, öffentlich zugänglichen Klimadatenplattform, der Net Zero Data Public Utility, aktiv mitgewirkt. Seit der Volksabstimmung zum Klima- und Innovationsgesetz im Juni 2023 ist die Schweiz zudem das erste Land, das ein gesetzlich verankertes 2050 Netto Null-Ziel für alle Unternehmen eingeführt hat. Auch der Finanzplatz ist explizit eingeschlossen und soll einen effektiven Beitrag zur klimaverträglichen Ausrichtung von Finanzflüssen leisten. Im globalen Vergleich hat sich die Schweiz nicht zu verstecken: Genf und Zürich belegen den 3. und 4. Platz im kürzlich veröffentlichten Global Green Finance Index der weltweit grünsten Finanzplätze. Wir möchten unsere Ansätze künftig stärker ins Ausland hinaustragen.
Weshalb heisst die Delegation Building Bridges Delegation?
Wir wollen, dass uns an der COP28 möglichst viele genau diese Frage stellen. Jedes Jahr findet die Building Bridges Konferenz in Genf statt, die alle wichtigen Akteure im Bereich nachhaltige Finanzen versammelt. Es geht darum, zwischen der Finanzwelt und der Welt der nachhaltigen Entwicklung Brücken zu schlagen. Mit seinen internationalen Organisationen und NGOs ist Genf der perfekte Ort dafür. Die Konferenz existiert seit 2019 und die Teilnehmerzahlen sind seither stark angestiegen. Das Interesse für das Thema wächst. Nun soll das internationale Profil von Building Bridges gestärkt werden.
Welche Ziele verfolgt die Building Bridges Delegation mit ihrer Teilnahme an der COP28?
Ziel der Building Bridges Delegation ist, den Austausch und neue Kontakte zu fördern, die Teilnehmenden über neue Entwicklungen und innovative Initiativen zu informieren und die Ansätze der Schweiz selbstbewusst global auszutragen. Building Bridges soll wortwörtlich international Brücken schlagen. Als SIF gestalten wir den allgemeinen Politikrahmen und sorgen dafür, dass Marktteilnehmende die notwendige Transparenz erleben, um gute Entscheide zu fällen. Die konkrete Umsetzung muss jedoch durch den Privatsektor erfolgen. Branchenverbände wie die SBVg, die Asset Management Association Switzerland (AMAS) und weitere haben hier eine zentrale Rolle zu spielen. Die Tatsache, dass viele freiwillige Instrumente wie die Swiss Climate Scores oder Initiativen wie die Net Zero Data Public Utility von den Branchenverbänden explizit unterstützt werden, hilft uns, mehr Finanzinstitute zu einem höheren Ambitionsgrad zu bewegen.
Die Building Bridges Delegation wird sich ausschliesslich ausserhalb der offiziellen Verhandlungsgespräche einbringen. Wie wichtig schätzen Sie diese Diskussionen ein?
Viele innovative Ideen und Kooperationen entstehen aus informellen Gesprächen. Bei der COP28 erhalten die Teilnehmenden einen einfacheren Zugang zu zentralen Entscheidungsträgerinnen und -trägern. Es geht darum, gezielt und strategisch Treffen mit wichtigen Ansprechpersonen zu organisieren und über konkrete zukünftige Initiativen und messbare Fortschritte zu reden.
Was sind die Erwartungen, mit welchen Sie beziehungsweise die Delegation an die COP28 anreisen?
Im Vergleich zu anderen globalen Konferenzen, wo alles im Vorfeld genau geplant werden kann und reibungslos abläuft, ist bei der COP ein gewisses Mass an Flexibilität, Offenheit und Neugier gefragt. Es ist wichtig, sich Freiräume für spontane Gespräche und Begegnungen freizulassen.
Welchen persönlichen Wert hat die Teilnahme an der COP28 für Sie?
Es ist meine zweite COP-Teilnahme. An der COP27 in Sharm El-Sheikh war ich Teil der Verhandlungsdelegation zu Finanzthemen. Solche Verhandlungen verlaufen zäh und nicht-linear, da im UN-System alle Vertragsparteien mit dem ausgearbeiteten Text einverstanden sein müssen. Die Veranstaltungen und Treffen ausserhalb der Verhandlungen waren damals als Ausgleich hilfreich. Ich freue mich deshalb auf die vielen interessanten Gesprächen während der Delegationsreise.
Herzlichen Dank für das Interview, Frau Wehrle.
Caroline Wehrle ist Senior Policy Advisor für nachhaltige Finanzen beim Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF). Sie ist in einer Reihe von internationalen Foren und Initiativen zu nachhaltigen Finanz-, Klima- und Nachhaltigkeitsthemen aktiv (G20 Sustainable Finance Arbeitsgruppe, Coalition of Finance Ministers for Climate Action, Climate Data Steering Committee, OECD, FSB-Arbeitsgruppen zu Transitionsplänen sowie Climate Vulnerabilities and Data, Internationaler Währungsfonds (IWF), International Platform on Sustainable Finance (IPSF) und Taskforce on Nature-Related Financial Disclosures (TNFD)). Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen im multilateralen Bereich, unter anderem als Policy Advisor zu IWF-Fragen und als Senior Advisor des Exekutivdirektors beim IWF. Sie hat einen Msc in Internationaler Politischer Ökonomie von der London School of Economics und einen Master in Quantitativer Ökonomie und Finanzen von der Universität St. Gallen.