Automatischer Informationsaustausch für virtuelle Vermögenswerte: Ja, aber gleiche Regeln für alle
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Mit dem AIA stellt die Schweiz seit 2017 mit mittlerweile über 100 Ländern sicher, dass Vermögenswerte grenzüberschreitend gemeldet werden und die lokalen Behörden ihre Steuergesetze durchsetzen können. Da virtuelle Vermögenswerte wie zum Beispiel die Kryptowährung Bitcoin aber ausserhalb des etablierten Finanzsystems gehandelt und gehalten werden können, befürchtet die OECD, dass der AIA zunehmend untergraben wird. Sie hat deshalb ein separates Regelwerk für den grenzüberschreitenden Informationsaustausch zu virtuellen Vermögenswerten entworfen. Die öffentliche Konsultation des sogenannten Crypto Asset Reporting Frameworks (CARF) dauerte bis zum 29. April 2022. Die SBVg hat sich mit einer eigenen Stellungnahme eingebracht.
Der CARF soll nicht nur Kryptowährungen erfassen, sondern jegliche Arten von virtuellen Vermögenswerten. Er muss von allen Akteuren umgesetzt werden, die in irgendeiner Form mit virtuellen Vermögenswerten in Berührung kommen. Der CARF ist dabei völlig unabhängig vom AIA, obwohl Ziel und Zweck sowie Regeln und Pflichten sehr ähnlich sind. Der einzige Grund für diese Doppelspurigkeit ist, dass die USA beim AIA nicht mitmachen, in den CARF jedoch eingebunden werden sollen und wollen. Eine Schweizer Bank muss somit nicht nur den AIA vollumfänglich umsetzen, sondern in Zukunft auch noch den CARF, sobald sie ihren Kunden Krypto-Dienstleistungen anbietet.
Die Tokenisierung könnte die Verbriefung der Zukunft werden
Heute arbeiten unzählige Anbieter in der Schweiz an der Nutzung neuer Technologien in allen Bereichen des Bankgeschäfts, so auch an der Blockchain-Technologie und der Tokenisierung von Vermögenswerten. Diese Entwicklungen sind aber erst punktuell im Massenmarkt angekommen. So bieten beispielsweise nach wie vor erst wenige Banken ihren Kunden die Möglichkeit, direkt in virtuelle Vermögenswerte zu investieren. Es ist auch noch völlig offen, welche Geschäftsmodelle sich etablieren werden und inwieweit Banken für Krypto-Dienstleistungen mit Partnern zusammenarbeiten oder selbst die volle Produktpalette anbieten werden.
Stand heute müssten daher erst eine Handvoll Mitgliedbanken der SBVg den CARF umsetzen. Warum also müssen sich die Schweizer Banken mit dem CARF auseinandersetzen? Einerseits zeichnet sich ab, dass die «Krypto-Welt» und die traditionellen Finanzmärkte zunehmend verschmelzen und immer mehr Banken ihren Kunden Krypto-Dienstleistungen anbieten. Andererseits streben die neuen Finanz-Technologien selbst nach einer Integration in den bestehenden Finanzmarkt. Der CARF könnte also in Zukunft für immer mehr Banken relevant werden.
Banken müssen auch für virtuelle Vermögenswerte auf den AIA abstellen können
Die SBVg begrüsst das übergeordnete Ziel des CARF, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Arten von Vermögenswerten und Finanzdienstleistern zu schaffen. Mit ihrem aktuellen Vorschlag berücksichtigt die OECD jedoch unserer Ansicht nach den AIA nicht angemessen als ein bereits etabliertes und gut funktionierendes System für den Austausch von Steuerinformationen, das von tausenden Finanzdienstleistern weltweit mit erheblichen Kosten aufgebaut wurde und in jahrelanger Praxis angewendet wird. Ausnahmslos alle Schweizer Banken sind dem AIA unterstellt und müssen die entsprechenden Sorgfaltspflichten umsetzen und Informationen zu ausländischen Kunden jährlich an die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV melden.
Das erklärte Ziel der OECD ist es, mit dem CARF die Lücke zu schließen, wo der AIA nicht anwendbar ist. Für Banken gibt es diese Lücke aber nicht, denn sie melden unter dem AIA bereits alle Vermögenswerte, die in ihren Depots gehalten werden, auch Krypto-Vermögenswerte. Die Schaffung eines zweiten AIA nur für virtuelle Vermögenswerte ist also gar nicht notwendig. Allenfalls könnte der AIA selbst ausgebaut werden, um zusätzliche Klarheit zu schaffen. Die SBVg fordert darum gemeinsam mit dem Europäischen und dem Internationalen Bankenverband, dass alle von Banken gehaltenen virtuellen Vermögenswerte vom CARF ausgenommen werden. Andernfalls drohen, abgesehen von völlig unnötigen Mehrkosten durch eine überlappende Regulierung, Mehrfachmeldungen derselben Vermögenswerte und somit Daten-Chaos für alle beteiligten Banken, Länder und Behörden.
Falls Überschneidungen zwischen CARF und AIA unausweichlich bleiben, müssen sich die Banken auch für den CARF wenigstens auf die AIA Sorgfaltspflichtverfahren verlassen dürfen. Schlüsselinformationen unter dem AIA wie beispielsweise der steuerliche Wohnsitz einer Person oder die beherrschenden Personen eines Unternehmens sind für den AIA und den CARF identisch, separate Vorschriften und Prozesse bringen hier niemandem einen Mehrwert. In einem Massenmarkt mit Abermillionen von Transaktionen, in dem virtuelle und andere Vermögenswerte mehr und mehr verschmelzen, sind doppelte und redundante Systeme für denselben Zweck nicht akzeptabel.
Auch der AIA soll möglichst unangetastet bleiben
Neben dem CARF hat die OECD auch Änderungen am Common Reporting Standard (CRS) vorgeschlagen, der die Basis für die weltweite AIA-Umsetzung bildet. Die SBVg betont, dass der AIA ein komplexes und gut funktionierendes System ist und jegliche Regeländerungen weitreichende Auswirkungen auf die Banken haben. Für jede Änderung muss daher abgewogen werden zwischen den Kosten für die Anpassung bestehender Prozesse und dem Nutzen dieser Änderungen für die Verbesserung des AIA. Während einige der vorgeschlagenen Änderungen mitgetragen werden können, halten andere diesem Test nicht stand. Dass die OECD den AIA an solchen Stellen weiterentwickelt und gleichzeitig mit dem CARF ein völlig redundantes Parallel-System aufbaut, zeigt eine aus unserer Sicht kritikwürdige Prioritätensetzung.