«Innovation im Banking geschieht inkrementell und nicht radikal»
Richard Hess, Leiter Digital Finance SBVg, sieht Schweizer Banken bei der Digitalisierung gut aufgestellt – denn Veränderung braucht mehr als Tempo: Sie braucht Substanz.
Social Bookmarks
Richard, in den Medien liest man oft, Schweizer Banken würden beim Thema Digitalisierung den Anschluss verlieren. Wie siehst du das?
Diese Kritik ist nicht ganz unbegründet, greift aber dennoch zu kurz. Viele Schweizer Banken investieren gezielt in ihre digitale Transformation, kooperieren mit Fintechs und entwickeln eigene Lösungen. Der wahrgenommene Unterschied zu anderen Finanzplätzen liegt oft im höheren regulatorischen Anspruch – etwa bei der Geldwäschereibekämpfung oder beim Datenschutz. Das verlangsamt zwar die Umsetzung, ist aber auch ein Qualitätsmerkmal. Während andere Finanzplätze – etwa Singapur oder London – durchaus etwas mutiger in neue Technologien investieren, agieren wir in der Schweiz in der Regel etwas zurückhaltender, überlegter, dafür nachhaltiger.
Wo hat unser Finanzplatz den grössten technologischen Innovationshebel?
Der grösste Hebel liegt aus meiner Sicht in der Verbindung von technologischer Exzellenz und dem internationalen Vertrauensvorsprung der Schweiz. Wenn wir diese Stärken mit digitalen Lösungen wie digitalen Vermögenswerten und Währungen sowie Daten und KI-gestützter Beratung und Banking kombinieren – und dabei Risiken aktiv managen – können wir uns im globalen Wettbewerb klar differenzieren und die Resilienz des Systems wahren.
Welche konkreten digitalen Innovationen beobachtest du bei den Banken?
In den letzten Jahren haben sich schrittweise eine Vielzahl digitaler Finanzlösungen etabliert, die unseren Alltag erleichtern: mit TWINT zahlen, Rechnungen via QR-Code einscannen oder direkt via eBill begleichen, virtuelle Kredit- und Debitkarten in den gängigen mobilen Wallets nutzen oder auch in digitale Säule 3a-Lösungen investieren sind heute für viele Kundinnen und Kunden selbstverständlich.
Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Innovation in der Bankenindustrie geschieht der Regel inkrementell und nicht radikal. Viele Fortschritte geschehen im Hintergrund, für Kundinnen und Kunden oft unsichtbar. Häufig geht es darum, bestehende Prozesse zu optimieren und die Effizienz des Systems zu steigern, weniger um völlig neue Geschäftsmodelle.
Was sind hier die grössten Herausforderungen?
Erstens: Der Schweizer Finanzmarkt ist tendenziell gesättigt – nicht nur in der traditionellen Finanzindustrie, sondern auch im Fintech-Sektor. Das bestätigt eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern. Neue Marktakteure wie Digitalbanken und Fintechs bringen frischen Wind, doch das Wachstum findet vor allem im internationalen B2B-Geschäft statt – weniger im B2C-Bereich. Geschäftsmodelle, die sich ausschliesslich auf den Heimmarkt konzentrieren, kämpfen mit Skalierungsproblemen aufgrund der Marktgrösse und -Sättigung. Zweitens: Ein zentrales Hemmnis ist der eingeschränkte Marktzugang. Während internationale Anbieter leicht in den Schweizer Markt eintreten können, stossen Schweizer Akteure im Ausland oft auf regulatorische Hürden oder fehlende bilaterale Abkommen. Das erhöht die regulatorische Komplexität und schränkt die Skalierungsmöglichkeiten weiter ein.
Zum Schluss noch ein Blick auf das Point Zero Forum, das im Mai erneut stattfand: Warum sind solche Dialogplattformen für den Finanzplatz wichtig?
Weil sie Brücken schlagen – zwischen Politik, Technologie- und Finanzbranche. Das Point Zero Forum in Zürich hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig der Austausch über Ländergrenzen hinweg ist, um technologiebasierte Innovation in der globalen Finanzindustrie verantwortungsvoll zu gestalten. Themen wie KI, digitale Vermögenswerte oder digitale Souveränität wurden dort praxisnah und auf Augenhöhe diskutiert – nicht als Zukunftsvision, sondern als konkrete Gestaltungsaufgabe.