Übermorgen: Wie ein starker Finanzplatz den Wandel mitgestaltet
Präsidialansprache, Bankiertag 2025
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Sehr geehrte Damen und Herren
Die zwei Filme unserer neuen Kommunikationsinitiative zeigen auf eindrückliche Weise, wie sehr der Finanzplatz Schweiz mit dem Alltag der Menschen verwoben ist und diesen mitgestaltet. Ich werde im Lauf meiner Ausführungen noch vertieft darauf eingehen. Bevor ich aber über die Zukunft und das Übermorgen spreche, möchte ich den Blick kurz zurück und dann in die Gegenwart richten.
Am letztjährigen Bankiertag hielt ich meine Präsidialansprache zum Thema ‘Der Schweizer Finanzplatz unter dem Einfluss der Geopolitik’. Ich habe in dieser Rede aufgezeigt, dass ein erfolgreicher Schweizer Finanzplatz in eine Wirtschafts- und Aussenpolitik unseres Landes, die unsere Unabhängigkeit, Neutralität und Standortattraktivität stärkt, eingebettet ist. Der Erfolg des Finanzplatzes, wie auch der aller anderen Wirtschaftszweige, ist aufs Engste mit dem erfolgreichen Einsatz der wirtschafts- und aussenpolitischen Instrumente verbunden. Genauso, wie er ein integrierter, eng verwobener Teil der Gesamtwirtschaft ist.
Die geopolitischen Herausforderungen sind im vergangenen Jahr gewiss nicht kleiner geworden. Ganz im Gegenteil haben sich Blockbildung sowie kriegerische und handelspolitische Auseinandersetzungen noch weiter verschärft. Eric Gujer hat in der NZZ im Leitartikel ‘Allein unter Raubtieren’ vom 9. August die Situation mit deutlichen Worten treffend beschrieben:
«Diese liberale Weltordnung ist unwiderruflich zu Ende gegangen. Was einmal ein geordnetes Spielfeld war, ist nun im übertragenen wie im wörtlichen Sinn ein Schlachtfeld. Grosse Mächte erkennen die bestehenden Regeln nicht mehr an. In der Ära des Dschungels herrscht das Recht des Stärkeren. ...
Das ist die Arena, in der sich die Schweiz bewähren und beweisen muss. ... Wieder spielt man den Schlaumeier, der abseitssteht und profitiert: keine Waffenlieferungen an die europäischen Partner, keine höheren Verteidigungsausgaben, aber eine faktische Sicherheitsgarantie der Nato. Wer sich als Eigenbrötler so um seinen Ruf foutiert, macht sich zur leichten Beute der Raubtiere.»
Ich teile diese Einschätzung und bin deshalb überzeugt, dass es aussenpolitisch äusserst wichtig ist, dass die Schweiz ihren Partnern und vor allem auch Nachbarn etwas anbieten kann. Eine glaubwürdige bewaffnete Neutralität und eine tragende Rolle in der europäischen Energieversorgung sind Felder, in denen wir dies leisten könnten. Der Handlungsbedarf ist überfällig und wir sollten keine Zeit mehr ungenutzt verstreichen lassen. Dies ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz und für den Finanzplatz von grösster Bedeutung.
Der diesjährige Bankiertag steht unter dem Titel «Der Finanzplatz Übermorgen». Darum richten wir dieses Jahr den Blick nach innen, auf unseren Finanzplatz, die Rahmenbedingungen und schliesslich in die Zukunft. Wir stellen die Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um auch übermorgen erfolgreich zu sein und was der Finanzplatz zur Prosperität unseres Landes beiträgt.
Auch hier ist eine kurze Rückschau hilfreich. Man stelle sich vor, es hätte ein Experte anfangs der 2000er Jahre folgende Prognose gemacht: «In den nächsten 10 Jahren wird folgendes eintreten: Zuerst werden wir eine globale Finanzkrise von grösstem Ausmass erleben, welche einige Grossbanken verschwinden lässt. Dann wird Europa in eine grosse Schuldenkrise geraten. In der Folge fallen die Zinsen über Jahre und gleiten schliesslich ins Negative. Der Schweizerfranken wertet sich gegenüber dem Euro und USD um 30% auf. Zudem wird das Bankgeheimnis aufgegeben und der automatische Informationsaustausch eingeführt.»
Man muss sich dies nochmals klar vor Augen halten. Denn die Allermeisten hätten für den Fall des Eintretens dieser Prognose damals das Ende des Finanzplatzes Schweiz vorausgesehen. Tatsächlich aber haben viele Banken alle diese Entwicklungen erfolgreich überstanden. Selbstverständlich hat eine Konsolidierung stattgefunden und der Anteil des Bankensektors am BIP ist gesunken. Aber die Banken verwalten heute mehr Vermögen als damals und beschäftigen mehr Menschen.
Aus meiner Sicht waren zwei Faktoren massgebend für dieses Ergebnis. Auf der einen Seite verfügten die meisten Banken über die notwendigen finanziellen Ressourcen und diversifizierten Geschäftsmodelle, um mit diesen fundamentalen Verschiebungen umzugehen. Andererseits hat der Gesetzgeber mit einer zielgerichteten und massvollen Regulierung auf die Finanzkrise reagiert und damit internationale Wettbewerbsfähigkeit mitermöglicht.
Und damit kommen wir in der Gegenwart an, im Hier und Jetzt, wo die Voraussetzungen für die Zukunft geschaffen werden. Die Banken müssen erfolgreich und profitabel wirtschaften, um die finanziellen Ressourcen für die unvorhersehbare Zukunft aufzubauen. Und die Regulierung muss die Stabilität des Finanzplatzes fördern und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit erhalten.
Sind diese Voraussetzungen heute gegeben?
Zur Profitabilität: Die Banken haben im vergangenen Jahrzehnt bei zunächst negativen, dann stark steigenden und dann wieder fallenden Zinsen, bei der Pandemie und der globalen Unsicherheit sowie allen erwähnten Herausforderungen – mit einer Ausnahme – sehr erfolgreich gewirtschaftet.
Die eine Ausnahme war die CS. Ende Juni hat nun der Bundesrat als Folge dieser CS-Krise und deren Übernahme ein umfassendes Regulierungspaket auf den Weg in die Vernehmlassung und Gesetzgebung geschickt. Damit sind wir bei der zweiten Voraussetzung, der Regulierung. Und es stellt sich natürlich die Frage ob Behörden und Gesetzgeber die richtigen Schlüsse aus den Vorfällen ziehen und mit einer klugen und ausgewogenen Anpassung des gesetzlichen Rahmens auf die Krise antworten.
Die Bankiervereinigung hat sich zu Beginn dafür eingesetzt, dass der Fall der CS eingehend untersucht wird, damit die richtigen und wichtigen Verbesserungen an der Regulierung umgesetzt werden können.
Ein vereinfachtes und auf alle Banken ausgeweitetes Liquiditätsregime haben wir von Anfang an als die wichtigste Lehre aus der Krise identifiziert. Die Finanzstabilität wird in einer digitalisierten Welt entscheidend davon abhängen. Ein verstärktes Verantwortlichkeitsregime mit dem Fokus auf die individuelle Verantwortung wichtiger Entscheidungsträger, haben wir früh als zweite wichtige Stossrichtung genannt.
Was aber in der Folge einiger Expertenberichte und einem sehr sorgfältigen und detaillierten Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission vom Bundesrat präsentiert wurde, hat uns negativ überrascht. Nach einer ersten Durchsicht stellen wir fest: Wenn dieses Paket so wie vorgeschlagen umgesetzt wird, wird der Finanzplatz übermorgen nicht mehr derjenige sein, denn wir kennen. Es droht eine unnötige, teure und ineffiziente Bürokratisierung sowie der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und damit eine gewollte Schrumpfung eines tragenden Pfeilers unserer Wirtschaft.
Proportionalität
Bei den vom Bundesrat vorgestellten Massnahmen soll die Mehrheit für alle Banken gelten, obwohl in der Krise eine einzige Bank ein Problem hatte. Zwar stehen einige dieser Massnahmen unter dem Vorbehalt der Verhältnismässigkeit. Dies würde bedeuten, dass das Geschäftsmodell, die Komplexität, die Rechtsform und die Grösse der Bank den Geltungsbereich und die Ausgestaltung der Regulierung mitbestimmen. Allerdings wird diese Klassifizierung allein der FINMA überlassen und es gibt keine klaren Kriterien, wer genau und wie eine solche vorgenommen werden soll.
Wir sind dezidiert der Meinung, dass – ganz im Sinne der PUK – für die überwiegenden Zahl der Banken aufgrund der CS-Krise keine Verschärfung der Regulierung notwendig ist.
Die Kompetenzen der FINMA
In Bezug auf die Kompetenzen führt der Bundesrat in seinen Eckwerten eine Vielzahl von Massnahmen ein und geht dabei in vielen Bereichen unverhältnismässig weit. Vieles steht im Kleingedruckten und bereitet Anlass zu grosser Sorge.
So schreibt der Bundesrat beispielswiese in den Erläuterungen zum Thema Stärkung der Aufsicht und Berufsverbot, dass die FINMA die Möglichkeit erhalten soll, bei schweren Verstössen gegen interne Vorschriften, ein Berufsverbot auszusprechen.
Würde ein Institut bei einem solchen Regime noch je Weisungen erlassen, die über das Aufsichtsrecht hinausgehen?
Zur präventiven Vermeidung von Fehlverhalten von Finanzinstituten und deren Personal fordert der Bundesrat eine Kann-Bestimmung, nach der die FINMA die Öffentlichkeit über Untersuchungen und Verfahrenseröffnungen informieren kann.
Bevor also überhaupt erstellt ist, ob Aufsichtsrecht verletzt wurde, soll die Öffentlichkeit von der Regulierungsbehörde informiert werden können. Wir wissen alle, dass eine solche Ankündigung für ein Institut oder eine Privatperson schwerwiegende und irreversible Konsequenzen haben kann. Man will informieren, ohne zu wissen was tatsächlich vorliegt?
Die FINMA soll also nicht nur Aufsichtsbehörde, sondern auch gleichzeitig Untersuchungsrichter, Kläger und Richter sein. Und wer kontrolliert die FINMA?
Corporate Governance
In einzelnen Bereichen schlägt der Bundesrat vor, dass im Gesetz detaillierte Regeln zur Zusammensetzung nicht nur des Verwaltungsrates, sondern auch der Geschäftsführungsorgane von Banken erlassen werden.
Und im Faktenblatt zu den Vergütungen liess er zur Rolle der FINMA verlauten, dass die FINMA beurteilen soll, ob eine Person mit Fehlverhalten genügend durch Vergütungs- oder sonstige Massnahmen durch die Bank sanktioniert worden ist. Wenn sie zum Schluss kommt, dass dies nicht der Fall ist, soll sie eigene Massnahmen, wie zum Beispiel eine Streichung oder Kürzung von Boni, ergreifen können.
Aus unserer Sicht sind solche Massnahmen, aufgrund der Verschiedenartigkeit der Banken in einem Gesetz kaum umsetzbar. Sie würden zudem unvorstellbar komplizierte bürokratische Prozesse notwendig machen und stellen damit unverhältnismässige und nicht notwendige Eingriffe in die Organisationsfreiheit dar.
Bei allem Verständnis dafür, die Aufsichtsbehörde mit den notwendigen Instrumenten auszustatten, damit sie wirksam arbeiten kann und international anerkannt und respektiert wird, kann es nicht sein, dass möglicher Willkür Tür und Tor geöffnet und die Verfahrensrechte der beaufsichtigten Institute und Privatpersonen faktisch ausser Kraft gesetzt werden. Aus unserer Sicht sind die geplanten Kompetenzerweiterungen zwingend mit einer entsprechenden Verfahrensordnung, welche die Rechte aller Involvierten entsprechend schützt, zu verbinden. Ich bin überzeugt, dass dies langfristig auch im Sinne unserer Aufsichtsbehörde ist.
Eigenmittel
Und schliesslich möchte ich auch auf die Frage der Eigenmittel- und Bewertungsvorschriften eingehen, welche de facto die UBS betreffen.
Bei Eigenmittelerfordernissen hat der Gesetzgeber drei Stellschrauben. Die erste betrifft die buchhalterische Behandlung von Aktiven, die zweite den prozentualen Unterlegungssatz solcher Aktiva mit Eigenmitteln und die dritte die Definition der zulässigen Eigenmittel. Bei allen drei Stellschrauben hat sich der Bundesrat für die schärfste Variante entschieden. In der Summe ist die Wirkung exorbitant und die Forderung völlig übertrieben.
Dies sind nur einige Beispiele, warum aus unserer Sicht die Vorschläge zu den Eckwerten der Regulierung zum Teil weit über das Ziel hinausschiessen
Aus unserer Sicht ist im Hinblick auf die CS-Krise und den damaligen Vorfällen in den USA die Ausweitung und Entstigmatisierung der Liquiditätsversorgung aller Banken durch die SNB der matchentscheidende Hebel für die Verbesserung der Finanzstabilität. Ein schlankes, zielgerichtetes Verantwortlichkeitsregime und eine sorgfältige Erweiterung des FINMA Instrumentariums sind weitere zielführende Schritte.
Was darüber hinausgeht ignoriert die internationale Wettbewerbsfähigkeit, die Standortattraktivität sowie die Wettbewerbsintensität im Inland. Eine kluge Regulierung sucht dagegen das Gleichgewicht zwischen diesen Zielen.
Vergessen wir nicht: Der Finanzplatz, d.h. die Banken, die Versicherungen und sonstigen Finanzdienstleistungen liefern 12.5% der konsolidierten Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden. Er ist, wie wir immer wieder betonen, ein integraler Teil der Wirtschaft, die genauso auf optimale Rahmenbedingungen angewiesen ist.
Es wird oft vergessen, dass das grenzüberschreitende Vermögensverwaltungsgeschäft der Schweiz unserem Land auch weitere grosse Vorteile bringt, wie zum Beispiel vorteilhafte Bedingungen für die Finanzierung von Krediten. Die Schweiz hat – auch aufgrund der Verrechnungssteuer – keinen grossen Kapitalmarkt. Zur Finanzierung von Hypotheken – über 1300 Milliarden Franken – und Krediten aller Art – auch an die öffentliche Hand – ist unser Land auf ein starkes Bankensystem angewiesen.
Der technologische Fortschritt ist immens. Die Schweizer Banken haben die Digitalisierung genutzt, um effiziente Dienstleistungen zu entwickeln. TWINT ist nur eines von vielen Beispielen.
Der Gesetzgeber hat mit dem Mantelgesetz zur DLT-Technologie die Schweiz sehr früh in eine weltweit führende Position gebracht. Die Schweizerische Bankiervereinigung hat mit ihren Mitgliedern wichtige Grundlagenarbeit zu neuartigen blockchain-basierten Zahlungsinfrastrukturen geleistet und diese publiziert. Deposit-Token und Stablecoins sind hier die Stichworte. Die vom SIF angekündigte Revision der Fintech-Lizenz wird für die Schweiz matchentscheidend sein, damit der Finanzplatz in diesen Feldern mitspielen kann.
Der Finanzplatz wird übermorgen weiter existieren. In welcher Form aber, das liegt in unseren Händen. Der Wettbewerb wird die Banken zur Innovation zwingen. Die Regulierung sollte dafür einen optimalen Rahmen schaffen.
Die kommenden Herausforderungen sind immens. Die Überalterung der Bevölkerung, die globale Erwärmung, die Sicherheit des Landes verlangen grösste Anstrengungen. Nur eine prosperierende Wirtschaft wird die Mittel erarbeiten können, die wir brauchen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Alternative sind konfiskatorische Steuern und immer grössere Einschränkungen der individuellen Freiheit. Eine solche Welt wünsche ich mir nicht für meine Kinder.
Marcel Rohner
Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung
September 2025