Der Untergang der Credit Suisse – Massnahmen 

Die Übernahme der untergehenden Credit Suisse durch die UBS und die gleichzeitig ergriffenen  Massnahmen der Schweizer Behörden sorgten für unmittelbare Stabilität. Damit hat die Schweiz aus eigener  Kraft das Risiko einer internationalen Finanzkrise beseitigt. Einlagen und Bankdienstleistungen waren  jederzeit sicher. Die Schweizer Banken haben in den vergangenen Jahren erfolgreich eine fundamentale regulatorische  Transformation durchlaufen. Sie verfügen heute über massiv höhere Liquiditäts- und Kapitalpolster. Dies hat  überhaupt ermöglicht, dass die UBS die Credit Suisse übernehmen konnte. Der Schweizer Bankenplatz ist  also robust und im internationalen Vergleich gut positioniert. Das Regelwerk zu «Too Big to Fail» (TBTF) hat  in wesentlichen Aspekten den Realitätstest bestanden, ist aber gesamthaft zu analysieren und  gegebenenfalls punktuell anzupassen. Die Aufarbeitung der Ereignisse, die zum Untergang der Credit Suisse führten, ist noch im Gang. Erste  Erkenntnisse liegen aber vor, und in den bisher vorliegenden Berichten wurden Empfehlungen zu  verschiedenen Handlungsfeldern in der Bankenregulierung gemacht. Dazu nehmen wir hier Stellung.

In aller Kürze

  • Die Schweizer Banken leisten einen entscheidenden Beitrag an die Wirtschaft und den Wohlstand der Schweizer Bevölkerung. Damit das so bleibt, ist ein international wettbewerbsfähiger Regulierungsrahmen zwingend. 
  • Die Faktoren, welche über eine lange Zeit hinweg den Ruf und das Vertrauen in die Credit Suisse zerstört und letztlich zu deren Untergang geführt haben, sind mittlerweile weitgehend bekannt. Offensichtliche Lücken im bestehenden Regulierungsrahmen können mit gezielten Massnahmen geschlossen werden. 
  • Aus unserer Sicht sind insbesondere ein weiterer Ausbau der Liquiditätsversorgung des Bankensystems durch die Schweizerische Nationalbank (SNB), die Einführung des «Public Liquidity Backstop», Anpassungen im Bereich von Vergütung und Verantwortlichkeit sowie Verbesserungen in der Aufsicht durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) prioritär. 
  • Demgegenüber erachten wir die bestehenden Eigenmittel-Anforderungen an systemrelevante Banken als genügend und sehen keinen pauschalen Verschärfungsbedarf. Die schweizerischen Anforderungen entsprechen internationalen Standards und sind im Vergleich mit anderen Finanzplätzen bereits streng, und mit der Einführung von «Basel III Final» werden sie ab 2025 nochmals deutlich höher.  
  • Mit der Credit Suisse ist eine global systemrelevante Bank untergegangen, und mit dem Eingriff durch UBS und Behörden konnte ein globaler Flächenbrand verhindert werden. Bei möglichen Massnahmen sind also zwei Kriterien entscheidend: Erstens ist eine problemgerechte Differenzierung wichtig («Proportionalität»); so müssen für regulatorische Reaktionen die Grösse, die Systemrelevanz, das Geschäftsmodell und die internationale Verflechtung im Zentrum stehen. Zweitens ist eine sinnvolle Erweiterung der Robustheit des gesamten Sektors angezeigt, damit externe Schocks besser absorbiert werden können; die Liquiditätsversorgung durch die SNB gegen Sicherheiten steht dabei im Vordergrund
Liquiditätsversorgung 

Die Krise rund um die Credit Suisse hat gezeigt, wie zentral ein robustes Dispositiv zur Sicherstellung der Liquidität ist. Dazu gehört erstens ein solides bankinternes Liquiditätsmanagement. Zweitens ist entscheidend, dass sämtliche Banken, solange sie solvent sind und bestimmte Bedingungen erfüllen, flexibel und rasch von der SNB Liquidität gegen verfügbare und verwertbare Sicherheiten beziehen können, insbesondere wenn sie sich am Markt nicht mehr refinanzieren können. Eine solche Liquiditätsversorgung kommt ohne staatliche Garantie aus, trägt wesentlich zur Sicherung der Systemstabilität bei und reduziert dadurch die Risiken für die Eidgenossenschaft deutlich. Drittens ist entscheidend, dass auch in der Schweiz das Instrument des «Public Liquidity Backstop» (PLB) für die Begleitung der Sanierung einer systemrelevanten Bank zur Verfügung steht, im Interesse der Systemstabilität. 

Bankinternes Liquiditätsmanagement 

Die Anforderungen an das bankinterne Management von Liquidität sollten mit Blick auf die Credit Suisse-Krise neu beurteilt und gegebenenfalls gezielt angepasst werden. Dies ist die erste Verteidigungslinie für die Sicherstellung der Stabilität im Krisenfall. In diesem Zusammenhang schlägt die FINMA vor, die Parametrisierung für die Liquidity Coverage Ratio (LCR) und für die Net Stable Funding Ratio (NSFR) zu überprüfen. Die beobachteten Abflussraten von Einlagen scheinen die in der LCR angenommenen Abflussraten deutlich überstiegen zu haben. 

Eine Überprüfung der Realitätsnähe der unterstellten Stressszenarien erscheint sinnvoll, allfällige Anpassungen benötigen jedoch eine fundierte ökonomische Begründung sowie eine Regulierungsfolgenabschätzung. Bei einer Neukalibrierung der betroffenen Parameter ist eine internationale Abstimmung zwingend. 

Liquiditätsversorgung durch die SNB 

Mit der Kombination von Liquiditätsbereitstellung und der Übernahme der Credit Suisse konnte für Stabilität gesorgt werden. Dabei hat sich aber gezeigt, dass je nach Situation die «Emergency Liquidity Assistance» (ELA), d.h. das derzeitige Verfahren zur Bereitstellung von Liquidität im Notfall gegen Sicherheiten ohne staatliche Garantie, nicht ausreicht, um einen gestiegenen Liquiditätsbedarf in einer Krise gegen Sicherheiten zu decken. Deshalb musste zusätzlich ein «Public Liquidity Backstop» (PLB) aktiviert werden, indem die SNB gegen ein Konkursprivileg Liquidität zur Verfügung stellte, geschützt durch eine Ausfallgarantie des Bundes gegenüber der SNB.1 Daraus ergibt sich Handlungsbedarf, um die Wahrscheinlichkeit, dass Instrumente mit höheren Risiken für den Staat und die Steuerzahlenden eingesetzt werden müssen, deutlich zu reduzieren. 

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) begrüsst daher die Empfehlungen der Expertengruppe «Bankenstabilität» des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD, «Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse», Bericht vom 1.9.2023) zur Liquiditätsversorgung von Banken durch die SNB. Die Experten empfehlen darin insbesondere eine Erweiterung des Universums an Sicherheiten, welche die SNB im Rahmen der ELA akzeptiert; neben Hypotheken könnten damit zum Beispiel auch Unternehmens- und Lombardkredite explizit einbezogen werden. Über bereits existierende Initiativen hinaus besteht damit Potenzial, das Instrumentarium der SNB im Rahmen von marktwirtschaftlichen Prinzipien gezielt weiter zu systematisieren, zu flexibilisieren und damit die effiziente Liquiditätsbereitstellung im Bedarfsfall für alle solventen Banken sicherzustellen, sofern bankseitig ebenfalls die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind. 2  

Public Liquidity Backstop (PLB) 

Die SBVg unterstützt die Einführung eines PLB für systemrelevante Institute.3 Der PLB ergänzt das bestehende Instrumentarium zum Schutz der Systemstabilität. Ähnliche Instrumente sind auch auf vergleichbaren Finanzplätzen bereits etabliert, gehören international zum Standard-Instrumentarium und werden vom Financial Stability Board (FSB) empfohlen. 

Da die Anwendung eines PLB mit einem weitreichenden Konkursprivileg für die SNB verbunden ist, kein Anspruch auf automatische Anwendung besteht und im Falle eines Einsatzes des PLB bereits substanzielle Zinsen und Prämien an den Bund zu zahlen wären, sehen wir für eine zusätzliche «Abgeltungspauschale» keine sachlich nachvollziehbare Begründung.

1 Darüber hinaus war die SNB zur Sicherung der Stabilität gezwungen, mit «ELA+» an die Grenze ihres Mandats zu gehen und Liquidität wiederum gegen ein Konkursprivileg, aber ohne Ausfallgarantie des Bundes, zur Verfügung stellen. Dies ist als absoluter, nicht zu wiederholender Ausnahmefall zu betrachten, da für ELA nicht genügend Sicherheiten bereitstanden.

2 Mehr Details im separaten Positionspapier der SBVg

3 Mehr Details im separaten Positionspapier der SBVg

Eigenmittel 

Die schweizerischen Eigenmittel-Anforderungen an systemrelevante Banken entsprechen internationalen Standards, sind im Vergleich mit relevanten Finanzplätzen streng und werden mit «Basel III Final» ab 2025 zusätzlich erhöht. Besonders hervorzuheben sind die überproportionalen Vorschriften für systemrelevante Institute, die insbesondere in Bezug auf die Leverage Ratio deutlich strenger als im vergleichbaren Ausland sind. 

Auch der Bundesrat hat in seinem letzten TBTF-Bericht die schweizerischen Anforderungen an die Kapitalausstattung systemrelevanter Banken als angemessen beurteilt. Dieser Schluss wird von der Expertengruppe «Bankenstabilität» des EFD geteilt. Insgesamt sind die Anforderungen an die gesamthaft verlustabsorbierenden Mittel («Total Loss Absorbing Capacity», TLAC) für schweizerische Grossbanken im Vergleich mit vergleichbaren Instituten aus EU, UK und USA als hoch einzustufen. 

Ein komfortables Polster an Eigenmitteln stärkt die Absorptionskapazität für Verluste, mindert in solchen Fällen das Risiko von Bank Runs und verbessert die Ausgangslage für allfällige weitere Massnahmen wie eine Abwicklung oder einen Turnaround. Eine gute Eigenmittelausstattung ist also essenziell; sie schafft Vertrauen und verschafft Polster und Zeit für die Bewältigung von Krisen, aber sie bietet nie einen vollständigen Schutz vor Krisen, insbesondere wenn das Geschäftsmodell nicht nachhaltig und das Risikomanagement nicht robust ist. 

Im Kontext der Gesamtwirtschaft ist zudem zentral, sich bewusst zu sein, dass substanzielle Erhöhungen der Eigenmittel-Anforderungen spürbare Effekte in der Realwirtschaft hätten. Dies kann zu einer unbeabsichtigten Kreditverknappung durch Volumenreduktion und/oder Kostensteigerungen führen. 

Eine signifikante und generelle Erhöhung der Eigenmittel-Erfordernisse ist also keine volkswirtschaftlich nutzbringende Massnahme, zumal sie auch nicht an den Ursachen der vorliegenden Krise ansetzt. Sie schiesst am Ziel vorbei und beschneidet die volkswirtschaftlich relevante Aufgabe der Banken, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kreditvergabe in der Volkswirtschaft und damit den Wohlstand aller. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Teile des Geschäfts in unregulierte Bereiche abwandern würden, womit die Systemrisiken zusätzlich steigen könnten. 

In ihrem Bericht zu den «Lessons Learned aus der CS-Krise» weist die FINMA auf die schwache, von der FINMA akzeptierte Kapitalunterlegung im Stammhaus der Credit Suisse (vgl. die gewährten Erleichterungen auf Stufe Einzelinstitut) hin. Als Konsequenz fordert die FINMA strengere Standards bezüglich Stufe Einzelinstitut und will bei Bedarf Eigenmittelzuschläge verhängen und offenlegen können. Allfällige Vorschläge in diesem Bereich werden mit Sorgfalt zu beurteilen sein. 

Vergütung und Verantwortlichkeit  

Für das Risikomanagement einer Bank ist es zentral, dass die Verantwortlichkeiten der Entscheidungsträger klar definiert und deren Vergütung auf die Risikopolitik, den langfristigen Erfolg der Bank und die Einhaltung von Verhaltenspflichten abgestimmt ist. Daher schlagen wir gezielte gesetzgeberische Massnahmen vor4

Vergütung: Das FINMA-Rundschreiben 2010/1 «Vergütungssysteme» enthält bereits die wesentlichen Grundsätze für eine nachhaltige Vergütungspolitik. Um dem Inhalt des Rundschreibens Nachdruck und grössere Verbindlichkeit zu verleihen, sollte die Pflicht einer langfristig ausgerichteten Vergütungspolitik auf Gesetzesstufe angehoben werden. Einzelheiten können zusätzlich auf Verordnungsstufe konkretisiert werden. 

Verantwortlichkeit: Als Ergänzung der bestehenden Bestimmung zur Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung unterstützen wir die Einführung eines angemessenen Verantwortlichkeitsregimes («Senior Manager Regime»). Ein Verantwortlichkeits-Regime soll wirksam, aber ausgewogen, schlank und problembezogen sein; die wesentlichen Verantwortungsträger sollen der Komplexität und dem Geschäftsmodell der einzelnen Bank entsprechend identifiziert und ihre spezifischen Verantwortlichkeiten dokumentiert sein. Damit werden die Verantwortlichkeiten der Entscheidungsträger explizit definiert und eine Verbindung zwischen dem Eingehen von Risiken und der persönlichen Verantwortung geschaffen. 

4 Mehr Details im separaten Positionspapier der SBVg

Aufsicht 

Eine wirksame Bankenaufsicht ist das Resultat einer Kombination von rechtlichen Grundlagen, Fachkompetenz sowie Augenmass und Mut in der Anwendung. Mit einem reinen Ausbau oder einer Verschärfung der rechtlichen Grundlagen lassen sich allfällige Mängel bei den anderen drei Voraussetzungen nicht kompensieren. 

Eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Finanzdepartement (EFD), Nationalbank (SNB) und Aufsicht (FINMA) ist zentral. Inwieweit dies der Fall war, wird in der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zurzeit aufgearbeitet. 

Spezifisch im Bereich von Recovery (Stabilisierungsplanung) und Resolution (Abwicklungsplanung) sind die Ansätze der Aufsicht zu analysieren und gegebenenfalls gezielt anzupassen. Beispielsweise scheint ein verstärkter Fokus auf die praktische Umsetzbarkeit von Stabilisierungs- und Abwicklungsplänen in unterschiedlichen Krisenszenarien prüfenswert. 

Bussen & Veröffentlichung von Enforcement-Verfahren 

Als Bestandteil ihrer «Lessons Learned» (Bericht vom 19.12.2023) fordert die FINMA die Kompetenz zur Erteilung von Bussen mit dem Ziel, die Governance einer Bank zu stärken (S. 50): «Neben den Eingriffen auf organisatorischer und operationeller Ebene fehlte der FINMA ein repressives Instrument, mit dem sie die CS verschuldensabhängig für die zunehmenden Verstösse sanktionieren und damit ein entsprechendes Signal an die Bankführung, aber auch an die Mitarbeitenden sowie die Aktionärinnen und Aktionäre aussenden konnte». 

Wir stellen die Frage, warum die bestehende Rechtsordnung und die vorhandenen Möglichkeiten der FINMA nicht hinreichend sein sollen, um für spezifische Umstände zum Beispiel Bussen auszusprechen oder, deutliche Worte zu sprechen oder anderweitige Massnahmen zu treffen. Es ist daher genau zu begründen, wie der Untergang der Credit Suisse durch das Aussprechen von Bussen hätte verhindert werden können. 

In diesem Kontext fordert die FINMA zudem die Möglichkeit, Enforcementverfahren veröffentlichen zu können. Wir sehen den potenziellen Nutzen einer solchen Massnahme, fordern aber zuerst eine sorgfältige Klärung, weshalb das bestehende Erfordernis der Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung und die dadurch möglichen Interventionen und Kommunikation nicht ausreichen. Sollte die Forderung weiterverfolgt werden, braucht es klare Regeln, die eine Veröffentlichung von Enforcementverfahren legitimieren. Ansonsten besteht die Gefahr von Vertrauensverlust, Vorverurteilungen und Willkür. 

Trennbankensystem 

Die SBVg lehnt die Idee eines Trennbankensystems ab, da es keine zusätzliche Stabilität schafft. So war zum Beispiel Lehman Brothers eine reine Investmentbank, während die Silicon Valley Bank eine reine Geschäftsbank war. In der Bankenkrise der 90er-Jahre war es zudem das Investmentbanking, das den Schweizer Universalbanken Stabilität verlieh, während das Retailgeschäft in Schwierigkeiten steckte. Das Universalbanken-Modell schafft Stabilität durch Diversifikation, 

Das Universalbankenmodell bietet dazu und gerade für die Kundschaft diverse Vorteile. Bei einer integrierten Universalbank profitieren die Unternehmen von deren vielfältigen Leistungen, inklusive Zugang der Unternehmen zu den internationalen Kapitalmärkten via ihre Hausbank. Der Verbleib einer global tätigen Schweizer Universalbank trägt zudem wesentlich zur internationalen Ausstrahlung und Wettbewerbsfähigkeit der ganzen Schweizer Wirtschaft bei und stellt auch wichtige Dienstleistungen für andere Banken und deren Kundschaft sicher. Ein breiter und diversifizierter Finanzmarkt, mit unterschiedlichen Kategorien von Akteuren unterschiedlicher Grösse und Universalbankcharakter, ist sowohl für die Gesamtwirtschaft als auch für die Systemstabilität relevant.  

Gemeinsam Lösungen finden 

Als Dachverband der Banken in der Schweiz setzt sich die SBVg für eine offene und sachliche Debatte ein. Sie orientiert sich an der Wahrung von Proportionalität, Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität und wird sich weiterhin konstruktiv in die Arbeiten zur Evaluation der regulatorischen Rahmenbedingungen einbringen. 

Kontakt

Markus Staub
Leiter Prudentielle Regulierung
+41 58 330 63 42
Martin Hess
Leiter Wirtschaftspolitik
+41 58 330 62 50
Monika Dunant
Leiterin Themenmanagement & Media Relations
+41 58 330 63 95