Meinungen
16.12.2022

Wohin des Wegs – ein Blick ins Wahljahr 

Ein knappes Jahr vor den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober 2023 lohnt es sich, den Blick nach vorne ­­– und damit verbunden auch zurück – zu richten. Welche Bewegungen werden in den kommenden 12 Monaten auf uns zukommen und inwiefern haben diese einen Zusammenhang mit dem, was 2022 lief? Hier der Versuch, ein paar Einschätzungen zu geben.

Hätten wir zu Beginn des Jahres wohl eher mit ruhigeren Monaten im Vor-Wahljahr gerechnet, hielt 2022 für uns doch mehr Überraschungen bereit als erwartet. Nicht nur der Angriff Russlands auf die Ukraine warf in der Schweiz diverse Überzeugungen über den Haufen, auch über eine doppelte Bundesratsersatzwahl der beiden grössten Parteien der Schweiz war zwar spekuliert worden, wirklich damit gerechnet hatte aber wohl niemand. Und doch stehen wir nun vor einem Winter, der mit Diskussionen über Energiekrisen, neue Flüchtlingswellen und die Nachfolge zweier verdienter Bundesräte für eine intensive Zeit sorgt. Zugleich versuchen sich in diesen unruhigen und überraschenden Zeiten verschiedene Stellen an Prognosen für die Wahlen in einem Jahr.

Vielleicht bleibt alles gleich – vielleicht auch nicht

Mit der Publikation des ersten Wahlbarometers im Oktober ist das Wahljahr nun definitiv eingeläutet worden. Inwiefern die Prognose von marginalen Verschiebungen im ganz tiefen Prozentbereich eine Aussagekraft für ein Ereignis in einem Jahr hat, überlasse ich der geneigten Leserschaft. Insbesondere nach den letzten zwei Jahren voller Ereignisse, die zahlreiche Überzeugungen über den Haufen geworfen haben. Das Bedürfnis nach einer Orientierungshilfe kann jedoch nur zu gut verstanden werden. Liegt das Wahlbarometer richtig, bleibt schlussendlich mehr oder weniger alles beim Alten. Es sei denn… Es sei denn, es verändert sich nochmals alles und dann liegen auch grössere Verschiebungen drin. Eine klassische Prognose also, mit vielen «Wenn» versehen und einem hohen Konjunktiv-Anteil.

Spannender erscheint da ein Blick auf die vergangenen und anstehenden Abstimmungen in den beiden im Fokus stehenden Jahren. Als erstes lässt sich feststellen, dass sich der politische Handlungsdruck mit zahlreichen wichtigen Baustellen nicht unbedingt in einer Flut von Volksabstimmungen niederschlägt. Sowohl die Abstimmungstermine November 2022 wie auch März 2023 wurden aus Mangel an Vorlagen auf nationaler Ebene gestrichen. Geht man vom üblichen Vorgehen in einem Wahljahr aus, wird die Stimmbevölkerung im kommenden Jahr nur einmal zu Sachabstimmungen zur Urne gerufen. Dies mag erstaunen, wenn man bedenkt, dass Volksinitiativen immer noch als gängiges Wahlkampfutensil gelten. Andererseits liegt wohl der wahre Sinn einer Volksinitiative – gerade im Wahljahr – in der Mobilisierung der eigenen Basis, indem die Kandidierenden auf die Strasse und somit in den Kontakt mit der Bevölkerung geschickt werden können.

Thematische Grossbaustellen

An wichtigen Themen, für die es mehrheitsfähige und realisierbare Umsetzungen bräuchte, würde es der Schweiz nicht mangeln. Mit dem äusserst knappen Ja zur AHV-Reform im September dieses Jahres ist die Baustelle «Altersvorsorge» mitnichten behoben. Derzeit beraten Ständerat und Nationalrat die Reform zur 2. Säule. Ob die Reform gelingt, ist derzeit offen. Ebenfalls im September hat die Stimmbevölkerung knapp eine notwendige Steuerreform beerdigt. Die nächste Steuer-Abstimmung steht dabei schon vor der Tür. Die Umsetzung der weltweiten OECD-Steuerreform fordert auch von der Schweiz Zugeständnisse und Anpassungen, welche dem Volk im Juni unterbreitet werden.

Hinzu kommt die Energiekrise, wenngleich gehofft werden darf, dass sich die Mangellage in diesem Winter noch nicht manifestieren wird. Davon auf einen verminderten Handlungsbedarf zu schliessen, wäre jedoch ein Schnitt ins eigene Fleisch. Die Schweiz muss vorbereitet sein, sie muss die eigenen energietechnischen Hausaufgaben machen und sich im europäischen Kontext zielführend einbringen. Womit wir bei der nächsten Baustelle mit vielen Köchen und noch gar keinem Brei wären.

Ob das Wahljahr da zum richtigen Zeitpunkt kommt, darf bezweifelt werden. Respektive es darf gehofft werden, dass sich die Politik trotz des steten Kampfs um Stimmen und Wähleranteile ihrer wahren Aufgabe – der Lösungsfindung für anstehende Herausforderungen – stellt und die kommenden Monate nutzt, um die Schweiz voranzubringen. Neuen Schwung versprechen dabei die beiden neuen Mitglieder der Landesregierung, die am 1. Januar 2023 ihren Job antreten werden, und damit verbunden vielleicht auch Wechsel im Vorstand der Departemente.

Langweilig wird es 2023 mit Sicherheit in Bundesbern nicht werden.

InsightPolitik