Meinungen
23.08.2021

NEIN zur irreführenden und willkürlichen 99%-Initiative

Im internationalen Vergleich sind die Einkommen in der Schweiz gleichmässig verteilt und der Umverteilungsbedarf geringer als in anderen Ländern. Die «99%-Initiative» bringt dieses funktionierende System mit irreführenden Forderungen und Unbestimmtheiten in Gefahr. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) spricht sich gegen die Volksinitiative aus, da eine Annahme negative Folgen für die Schweizer Wirtschaft und Bevölkerung hätte.
Beitrag vonNicholas John

Es ist keineswegs ein Geheimnis, dass die Schweiz mit ihrer politischen Stabilität, wirtschaftlichen Opportunitäten, internationaler Vernetztheit sowie der Nähe zur Natur viele Vermögende anzieht. Das einkommensstärkste Prozent kommt dabei für 40% des gesamten Steuerertrags auf und leistet auch auf vielen anderen Ebenen ihren Beitrag zum Funktionieren unseres Landes. Mit der Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» (inoffiziell 99%-Initiative) hat es die Partei der Jungsozialist*innen Schweiz (JUSO) auf ebendiese Vermögenden abgesehen: Kapitaleinkommen soll künftig stärker besteuert werden als das Lohneinkommen. Der daraus resultierende Mehrertrag soll Personen mit tiefen oder mittleren Einkommen zugutekommen oder für Transferzahlungen zugunsten der sozialen Wohlfahrt eingesetzt werden. Was gut klingen mag, hat jedoch viele negative Effekte. Denn auch wenn die Vorlage mit vielen Unklarheiten gespickt ist, ist bereits jetzt klar, dass vor allem KMUs, Start-Ups, Kleinanleger, Hauseigentümer und die Landwirtschaft von den Zielsetzungen der Initiative betroffen sein würden

Zu viele Unbekannte

Die 99%-Initiative wird am 26. September 2021 vor das Schweizer Stimmvolk kommen. Dass die Vorlage vom Bundesrat, der Parlamentsmehrheit, der Mehrheit der Kantone, den Wirtschaftsverbänden, SVP, FDP, Mitte-Partei und der GLP bekämpft wird, zeigt auf, dass die Initiative mit gravierenden Schwächen zu kämpfen hat. Dies wird klar, sobald der Initiativtext auf seine Auslegung untersucht wird. So hat der Bundesrat dargelegt, dass es zu «99%» des Inhaltes noch offene Auslegefragen gibt, beispielsweise zum

 

« (…) Begriff des Kapitaleinkommens, zur Höhe des festzusetzenden Schwellenbetrags, zur steuerlichen Behandlung von Kapitaleinkommen ober- und unterhalb des Schwellenbetrags sowie zur Ausgestaltung der Rückverteilung der mit der Mehrbesteuerung erzielten Einnahmen.» (der Bundesrat, 2019)

 

Folglich wird das Stimmvolk über einen Text abstimmen, bei dem es viel zu viele Unbekannte gibt und dessen Folgen unmöglich quantitativ abzuschätzen sind.

Den Wirtschaftsstandort inmitten einer Krise weiter schwächen?

Bei der Abstimmung geht es aber nicht nur um den Text, sondern vielmehr um die Auswirkungen, die eine solche Vorlage mit sich bringen würde. Die stärkere Besteuerung von Kapitaleinkommen würde sich gemäss Bundesrat negativ auf die Standortattraktivität der Schweiz auswirken, die Anreize zur Kapitalbildung schwächen und dadurch mittelfristig das für die Volkswirtschaft zur Verfügung stehende Kapital verringern. Da stellt sich die Frage, ob es tatsächlich in unserem Interesse sein kann, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz inmitten einer wirtschaftlichen Krise weiter zu schwächen? Davon direkt betroffen wären z.B. KMUs, Familienbetriebe oder Startups, die durch die Verteuerung des Kapitals in ihren Tätigkeiten eingeschränkt würden. Indirekt davon betroffen wäre auch der Finanzplatz, der als «Spiegel der Wirtschaft» die negativen Auswirkungen auf dessen Kunden spüren würde. Schliesslich kritisiert der Bundesrat, dass der von der Volksinitiative geforderte Ausbau der Transferleistungen nicht von Bedarfsüberlegungen, sondern von stark schwankenden Steuereinahmen auf Kapitaleinkommen bestimmt wäre.

Eine Volksinitiative als Gefahr für 100% der Bevölkerung

Die 99%-Initiative schiesst nicht nur an ihrem Ziel vorbei, sondern würde wie ein Boomerang zurückkommen, und die Personen, die sie zu schützen vorgibt, noch stärker in Bedrängnis bringen wird. Denn diese Volksinitiative gefährdet nicht nur die betriebliche Zukunft zahlreicher Unternehmen und damit das strukturelle Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, sondern hätte auch direkt einen negativen Einfluss auf die Löhne und die Beschäftigung von Arbeitnehmern in der Schweiz. Deswegen lehnt auch die SBVg diese Volksinitiative ab, die in ihrer konkreten Ausgestaltung willkürlich und mit Blick auf den Kreis der Betroffenen irreführend ist.

SteuernPolitik

Autoren

Nicholas John
Ehem. Public Affairs Manager