«Wir machen liberale Standortpolitik»
Social Bookmarks
Marcel Rohner, Sie sind seit September Präsident der SBVg. Wohin geht die Reise mit dem neuen Präsidenten?
Mein Ziel als SBVg-Präsident ist es, einen Beitrag zu einem international wettbewerbsfähigen und wachsenden Finanzplatz zu leisten. Damit dieser prosperieren kann, braucht es liberale Rahmenbedingungen. Hier engagiert sich die Bankiervereinigung im politischen Prozess. Ich verstehe die Bankiervereinigung als Wirtschaftsverband, der sachorientiert liberale Standortpolitik macht.
Was heisst das konkret?
Wir wollen zum Beispiel die Stempelabgaben abschaffen und die Verrechnungssteuer reformieren. Das ist ein langjähriges Anliegen. Nun wird es konkret. Das Parlament hat die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital beschlossen und reformiert derzeit die Verrechnungssteuer. Gelingen diese Reformen, kann der Wirtschafts- und Finanzstandort wachsen und gewinnt an internationaler Konkurrenzfähigkeit. Damit verbunden sind auch Arbeitsplätze und letztlich Steuereinnahmen für die Schweiz. Die SP hat bekanntlich das Referendum gegen die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital ergriffen. Sollte dieses zustande kommen, werden wir uns gemeinsam mit der Gesamtwirtschaft für diese Vorlage engagieren.
Gerade steuerpolitische Vorlagen haben aber vor dem Volk einen schwierigen Stand …
Das ist so. Und im Zuge des OECD-Steuerprojekts stehen wir erst recht vor erheblichen Herausforderungen. Das wird kein Spaziergang. Klar ist: Die Schweiz wird sich steuerpolitisch bewegen müssen. Die Überzeugungsarbeit muss heute beginnen. Wenn es uns gelingt, der Bevölkerung sach- und faktenorientiert aufzuzeigen, dass attraktive steuerliche Rahmenbedingungen ein Vorteil für alle sind, können wir künftige Abstimmungen gewinnen.
Sie haben einen wachsenden Finanzplatz angesprochen. Was braucht es dazu?
Gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte. Ich bin ein Verfechter der Banklehre und der Bildungsinstitutionen im Bereich Finance. Wir müssen alles daransetzen, die Qualität der Ausbildung hochzuhalten und laufend zu verbessern. Eine Bank ist heute ein Beratungs- und Technologieunternehmen. Wenn wir es schaffen, die Expertise der Kundenberaterinnen und Kundenberater und die persönliche Beratung ideal mit digitalen Lösungen zu verbinden, werden die Banken auch in Zukunft wachsen. Expertise ist auch im Bereich Nachhaltigkeit gefragt. Kundenberaterinnen und Kundenberater müssen nachhaltige Produkte verstehen und ihre Kunden transparent und kompetent beraten können.
Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor ist die Offenheit. Die Finanzbranche ist eine der bedeutendsten Exportindustrien der Schweizer Wirtschaft. Wir sind eine kleine Volkswirtschaft und damit auf offene Märkte angewiesen – dafür setzen wir uns ein. Und schliesslich müssen die Standortbedingungen im Innern stimmig sein. Es braucht verhältnismässige Regulierungen, die Freiräume und damit Innovation ermöglichen.
Welche Rolle spielt dabei die Bankiervereinigung?
Wir gestalten gemeinsam mit Behörden und Politik die Rahmenbedingungen für den Finanzstandort Schweiz. Wir haben dabei vor allem dann Einfluss, wenn wir als Branche geeint auftreten. Die Aufgabe von mir und der Geschäftsstelle ist es deshalb, innerhalb der Branche den Meinungsbildungsprozess zu moderieren und gemeinsame Positionen zu finden. Und das gelingt. Es gibt heute kaum ein politisches Dossier, bei dem die Branche nicht geschlossen auftritt.
Zum Schluss zwei Fragen zu Ihrer Person. Sie kennen dank Ihrer langjährigen Bankenkarriere die beiden grossen Finanzplätze Genf und Zürich aus erster Hand. Was verbindet Sie mit Genf, was mit Zürich?
Die beiden Städte fühlen sich manchmal verschieden an und sind trotzdem in Vielem gleich. Beide sind was die Grösse der Bevölkerung betrifft im Vergleich mit dem Ausland klein, sind aber im Alltag unglaublich international. Sie sind beide ausserordentlich schön und vielfältig. Die Nähe zu Frankreich und die jahrhundertelange Geschichte vom Streben nach Unabhängigkeit und Eigenständigkeit geben Genf ein aus schweizerischer Sicht ganz eigenes Lebensgefühl. Die Stadt ist eingebettet in eine wunderschöne Landschaft. In Zürich habe ich studiert und lange gearbeitet. Ich schätze die kulinarische und kulturelle Vielfalt der Stadt enorm.
Und Ihr Heimatkanton Aargau ist …
... ein wirtschaftlich sehr dynamischer, grösstenteils ländlich und kleinstädtisch geprägter Kanton. Ich bin in Aarau aufgewachsen. Hier ist meine Heimat, hier habe ich meine Wurzeln. Das gibt mir Halt und eine gewisse Geborgenheit.
Rückblick auf den Bankiertag
Spendenaktion
Jahresbericht der Schweizerischen Bankiervereinigung 2020/2021