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01.10.2020

Verrechnungssteuer – ein smarter Schritt des Bundesrats

Steuerabzug 35% – Rückforderung mit Formularen. Schon beinahe ewig kennen wir diese Regeln für Zinsen und Dividenden. Dabei sind sie völlig veraltet, unattraktiv für die Anleger und behindern den Schweizer Kapitalmarkt. Im Bereich der Zinsen will der Bundesrat jetzt Abhilfe schaffen.

Verglichen mit unserer ausländischen Konkurrenz wie Grossbritannien, den USA, Singapur oder Hong Kong ist der Markt mit schweizerischen Anlageprodukten unterentwickelt. Nehmen wir als Beispiel die Obligationen. Das Volumen der Obligationen von Schweizer Unternehmen beträgt rund CHF 500 Milliarden. Drei Viertel davon wurden nicht in der Schweiz, sondern im Ausland emittiert, wo keine Verrechnungssteuer anfällt. Schweizer Unternehmen tun dies, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die meisten Anleger könnten die schweizerische Verrechnungssteuer zwar zurückfordern, aber das ist ein aufwändiges und langwieriges Verfahren. Es ist für sie ein Leichtes, stattdessen in ausländische Papiere ohne Abzüge zu investieren. Das ist schade, denn mit der Emission im Ausland liegt auch ein grösserer Teil der damit verbundenen Wertschöpfung im Ausland.

Brachliegendes wirtschaftliches Potential

Im Juli letzten Jahres hat BAK Economics im Auftrag des Bundesrates die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Reform der Verrechnungssteuer sowie der Abschaffung der Stempelsteuern untersucht. BAK kommt zum Schluss, dass eine solche Reform ein erhebliches wirtschaftliches Potential in der Schweiz freisetzt: Schätzungsweise führt sie innert zehn Jahren zu einem Wachstum des BIP von 1.4% und zu rund 22'000 neuen Vollzeitstellen.

Diesen Frühling hat der Bundesrat deshalb einen Vorschlag für eine Reform der Verrechnungssteuer präsentiert und bis im Juli in die öffentliche Vernehmlassung gegeben. Geplant war, dass schweizerische Obligationen und Geldmarktpapiere künftig von der Verrechnungssteuer befreit werden. Zudem sollte die Stempelsteuer auf dem Handel dieser Anlageprodukte abgeschafft werden. Damit wäre nicht nur der Markt für die üblichen Unternehmensanleihen frei, sondern auch der künftige und sich schnell entwickelnde Markt für nachhaltige Anlagen. Mit anderen Worten würde damit die Grundlage für einen möglichen «Hub» für Schweizer «Green Bonds» geschaffen.

Der Teufel liegt aber in der Technik

Als Ersatz für die Verrechnungssteuer auf diesen Obligationen und Geldmarktpapieren hatte der Bundesrat in der Vernehmlassung die Einführung einer neuen Zahlstellensteuer auf Zinsen vorgeschlagen.

Diese wäre neu durch die Banken in der Schweiz erhoben worden und nicht mehr durch die Emittenten der Obligationen. Der Knackpunkt bei einem solchen «Outsourcing» der Steuererhebung an die Banken liegt bei der Implementierung.  Die Antworten in der Vernehmlassung von verschiedener Seite haben gezeigt, dass die Vorschläge für eine Zahlstellensteuer technisch zu komplex und viel zu teuer in der Umsetzung für alle Beteiligten wären, insbesondere da neu auch noch Zinsen von ausländischen Anlageprodukten hätten erfasst werden sollen. Bei diversen in- und ausländischen Zinsanlagen fehlt es an einer Zinszahlung, welche die Grundlage für die Anwendung einer Zahlstellensteuer wäre. Bei Zero- oder Diskountbonds, bei thesaurierenden Anlagefonds oder bei strukturierten Produkten werden die Zinskomponenten nie ausbezahlt bzw. es fliesst gar kein Zins, von welchem man eine Steuer abziehen könnte. Insbesondere bei ausländischen Anlageprodukten fehlen oft die Informationen zum Zinsanteil, oder sie sind erst lange Zeit nach der Zinszahlung exakt verfügbar. Eine Zahlstellensteuer wäre deshalb höchstens mit zahlreichen komplexen und teuren technischen Behelfslösungen möglich oder teilweise gar nicht umsetzbar.

Negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis

Die Einnahmen für den Bund aus der Zahlstellensteuer wären aufgrund des herrschenden Tief- bzw.- Negativzinsumfeldes sehr gering. Auf inländischen Zinsen lägen sie zwischen CHF 50-80 Millionen pro Jahr. Die zusätzlichen Einnahmen auf ausländischen Zinsen schätzt der Bundesrat auf lediglich CHF 35 Millionen pro Jahr. Die Umsetzungskosten für die Banken dagegen lägen um ein Vielfaches höher. Aus der Erfahrung mit ähnlichen Vorhaben, wie z.B. der Einführung des automatischen Informationsaustausches oder von US-FATCA wissen wir, dass solche Projekte Umsetzungskosten für die ganze Branche von über CHF 500 Millionen und laufende jährliche Unterhaltskosten für die Systeme von rund CHF 50 Millionen mit sich bringen. Insbesondere im vorherrschenden Tiefzinsumfeld wäre eine Zahlstellensteuer volkswirtschaftlich nicht stimmig.

Ein smarter Schritt des Bundesrates

Mitte September hat der Bundesrat die Ergebnisse der Antworten aus der öffentlichen Vernehmlassung zur Kenntnis genommen und in seine Überlegungen einbezogen. Er hat sich entschieden, dem Parlament die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinsen vorzuschlagen, ohne dass eine aufwändige Zahlstellensteuer einzuführen wäre. Auf den Bankzinsen für natürliche Personen in der Schweiz würde weiterhin die Verrechnungssteuer erhoben. Dieser Schritt ist begrüssenswert. Er würde den Schweizer Fremdkapitalmarkt entscheidend beleben, insbesondere auch im Bereich der nachhaltigen Anlagen.

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