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02.04.2020

Wie viel ausländisches Privatvermögen verwaltet die Schweiz?

Der Unterschied könnte nicht grösser sein: Gemäss der SNB wurden 2018 hierzulande Wertschriften von ausländischen Privatkunden im Umfang von CHF 513 Mrd. verwaltet. BCG schätzt die grenzüberschreitenden Vermögen in der Schweiz auf CHF 2300 Mrd. Wie kommen diese Unterschiede zustande und welchen Zahlen soll man vertrauen?

Um die Wettbewerbsfähigkeit des Wealth Management Standorts Schweiz zu beurteilen, eignet sich am besten ein Blick auf die Summe der verwalteten Vermögen. Dabei steht das grenzüberschreitende Wealth Management im Vordergrund: In diesem Geschäft zählt die Schweiz seit Jahrzehnten zur Weltspitze, weshalb den Zahlen eine grosse Bedeutung zukommt.

Banken liefern der SNB laufend eine Vielzahl von Zahlen, unter anderem die Depotbestände von Kundinnen und Kunden, die hierzulande liegen. Dazu zählen einerseits Anlagen, die «verwaltet» werden, d.h. bei denen die Bank Beratungsleistungen erbringt oder in Form eines Verwaltungsmandats Anlageentscheidungen nach den Vorgaben des Kunden erbringt. Andererseits zählen dazu «verwahrte» Anlagen, bei denen die Bank die Aufbewahrung der Wertschriften in Form eines Custody-Mandates übernimmt. Typischerweise handelt die Bank dabei im Auftrag eines ausländischen Finanzinstituts.

Auf die Definition kommt es an

Die SNB-Statistik unterscheidet Privatkunden, kommerzielle Kunden (d.h. Unternehmen) und institutionelle Kunden (z.B. Pensionskassen, Fondsgesellschaften oder Finanzinstitute). Die Banken melden der SNB dabei ihren Vertragspartner, der für die Kontoführung zuständig ist. Informationen über «wirtschaftliche Berechtigte» (bzw. «beneficiary owners») erhält die SNB damit nicht. Wirtschaftlich Berechtigte sind diejenigen Personen, welche die Anlage besitzen und an deren Erträgen berechtigt sind. Dies sind entweder Privatpersonen oder juristische Personen, etwa Pensionskassen oder Unternehmungen.

Die BCG-Schätzung weist eine leicht andere Zuordnung auf: In die Berechnung gehen diejenigen Vermögen ein, die im Privatkundengeschäft von Banken verwaltet werden unter Ausklammerung des Inlandsgeschäfts. Dies kann zwar zu kleineren Ungenauigkeiten führen, wenn eine Bank beispielsweise die Bankverbindung einer Kleinstfirma innerhalb des Privatkundengeschäfts führt, der Fokus liegt jedoch praktisch ausschliesslich auf Privatkunden als wirtschaftlich Berechtigte. Banken sind aus regulatorischen Gründen verpflichtet, genau zu erfassen, wer der wirtschaftlich Berechtigte einer Bankverbindung ist – unabhängig von der Frage, welche (juristische oder natürliche) Person Vertragspartner ist und ordnen diese üblicherweise der betreffenden Einheit zu.

Unterschiedliche Definition

Die unterschiedliche Definition erklärt die grossen Differenzen in den Zahlen der einzelnen Quellen: Lässt eine ausländische Familie ihr Vermögen beispielsweise über ein Family Office verwalten, so erfasst die SNB diese Vermögenswerte als Depotbestand von institutionellen Kunden, BCG jedoch als Privatvermögen.

Welche Zahlen sind nun korrekt?

Die einfache Antwort ist: beide. In den meisten Fällen interessiert jedoch nicht der Vertragspartner der Bank, sondern der wirtschaftlich Berechtigte. Und da sind die BCG-Zahlen bei weitem aussagekräftiger als die SNB-Statistik. Die Europäische Kommission verwendet in einem kürzlich erschienenen Bericht über Steuerausfälle von Privatpersonen Zahlen in ähnlicher Grössenordnung wie BCG für die in der Schweiz verwalteten Vermögen von ausländischen Privatkunden - USD 1998 Mrd. für 2016. Der Bericht stützt sich u.a. auf akademische Studien.

Einfache Plausibilitätstests unterstützen dies klar: Beispielsweise verwalten die Grossbanken allein über CHF 3000 Mrd. an Geldern in ihrem Privatkundengeschäft. Ein Grossteil davon entfällt auf die Schweizer Einheiten sowie grenzüberschreitende Kundenbeziehungen. Dazu kommen die Vermögen, die von anderen Banken in der Schweiz mit Fokus auf das grenzüberschreitende Geschäft verwaltet werden.

Ausserdem ist unklar, wer die wirtschaftlich Berechtigten der gemäss SNB CHF 2300 Mrd. an institutionellen Vermögen sein könnten, wenn nicht Family Offices, Private Label Funds und andere Organisationen in der Hand von Privaten. Vorsorgeguthaben, Staatsfonds und weitere grössere institutionelle Vermögen werden in den meisten Ländern hauptsächlich im Inland verwaltet.

BCG-Zahlen sind für Analysen aussagekräftiger

Niemand zweifelt daran, dass die SNB ihre Wertschriftenstatistik mit der höchstmöglichen Genauigkeit und Korrektheit erhebt. Gleichwohl ist deren Aussagekraft über die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes aufgrund der verwendeten Definition beschränkt. Aus diesem Grund verwendet die SBVg für die Messung des Volumens an ausländischen Privatvermögen und den internationalen Vergleich generell die Zahlen der BCG.

Global Wealth Report der Boston Consulting Group (BCG)

Seit 2001 publiziert BCG jährlich den Global Wealth Report. Die Studie zielt darauf ab, die Grösse der privaten finanziellen Vermögen in 97 Ländern zu ermitteln und Prognosen für deren zukünftige Entwicklung abzugeben. Ergänzend werden Implikationen und Trends für Vermögensverwaltern dargelegt. Die Studie stützt sich auf öffentliche Datenquellen, BCG Modelle und Experten, wie auch auf eine Befragung von weltweit 150 Vermögensverwaltern.

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