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04.05.2022

Wo Steuern zur Nachhaltigkeit beitragen können – und wo nicht

Ob ökologisch, ökonomisch oder sozial – Nachhaltigkeit spielt heute eine wichtige Rolle. Auch vor der Steuerpolitik macht der Trend nicht halt. Wir ordnen ein und zeigen auf, wo Steuern zur Nachhaltigkeit beitragen können – und wo nicht.

Die Finanzierung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung und der Klimaziele von Paris ist mit öffentlichen Mitteln allein nicht gesichert, die Mobilisierung privater Gelder ist zwingend notwendig. Die Ausrichtung des Finanzsystems auf diese Ziele gewinnt daher an Bedeutung. Internationale Finanzgremien wie das Financial Stability Board haben dies erkannt und leisten mit ihren Initiativen einen wesentlichen Beitrag zur Offenlegung von Klimarisiken. Zudem gibt es verstärkt Initiativen internationaler Organisationen wie zum Beispiel des IWF, der OECD und des Umweltprogramms der UNO (UNEP). Gemäss dem Übereinkommen von Paris hat sich die internationale Gemeinschaft 2015 auch darauf geeinigt, Finanzflüsse auf eine treibhausgasarme und klimaschonende Entwicklung auszurichten (Artikel 2.1.c). Die Schweiz hat dieses Abkommen ratifiziert und will es insbesondere im CO2-Gesetz aufnehmen. Die Banken haben das Potenzial erkannt und durchleuchten das Thema auf verschiedenen Ebenen. Nachfolgend zeigen wir auf, wo Steuern zur Nachhaltigkeit beitragen können – und wo nicht.

Nachhaltigkeit der Steuer-Quelle

Steuern sind Kosten und verteuern somit ihre Quelle. Abgaben, die unerwünschtes Verhalten über den Preis beeinflussen sollen, heissen Lenkungssteuern. So verteuert etwa die Mineralölsteuer das Fahren, die Tabaksteuer das Rauchen und die Alkoholsteuer das Trinken. Dieser «Lenkungszweck» sollte allerdings wohl dosiert und keinesfalls mit anderen Zielen vermischt werden, denn diese können dem Lenkungszweck entgegenstehen. So sollen beispielsweise Steuern mit «Fiskalzweck» Geld für den Staat verdienen und solche mit «Umverteilungszweck» Geld bestimmten Personen zulasten anderer zukommen lassen. Eine Steuer, die den Lenkungszweck mit anderen Zwecken verbindet, ist aber untauglich. Denn je erfolgreicher der Lenkungszweck die Quelle austrocknet, desto weniger Geld verdient sie und desto weniger gibt es auch umzuverteilen. Nur reine Lenkungssteuern wie CO2-Lenkungsabgaben auf fossilen Energieträgern sind also ein sinnvoller Anwendungsbereich für Nachhaltigkeitsfragen. Zudem wollen die sozialen Folgen jener Ziel-Konflikte berücksichtigt sein. So mag die Verteuerung der Mobilität ökologisch nachhaltig sein («E» in ESG), sozial nachhaltig aber vielleicht nicht («S» in ESG). Als Abwägungsentscheidungen zwischen Werte-Konflikten sind Lenkungssteuern somit rein politischer Natur. Diese Frage ist deshalb ausserhalb der Steuerpolitik zu beantworten. Dennoch können wir festhalten: Lenkungssteuern wie CO2-Lenkungsabgaben auf allen fossilen Energieträgern können zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen und als indirekte Finanzflüsse im Sinne des Pariser Klimaabkommens betrachtet werden. Wenn wir über Nachhaltigkeit der Steuer-Quelle sprechen, so gilt es den Fokus auf reine Lenkungssteuern zu legen.

Nachhaltigkeit der Steuer-Verwendung

Steuern sind Zahlungen ohne direkte Gegenleistung. Gegenleistungen des Staats an die Bürgerinnen und Bürger erfolgen erst indirekt, definiert von der staatlichen Ausgabenpolitik. Steuern werden also zunächst schlicht geschuldet, wenn das Gesetz dies vorsieht. Dieser nüchterne Grundsatz ist völlig ausreichend, denn Steuern sind eine blosse (einseitige) Übereignung an den Staat. Ist diese erst einmal vollzogen, steht seine Verwendung auf einem ganz anderen Blatt: Steuerpolitik ist nicht Ausgabenpolitik. Die Entkoppelung von Leistung und Gegenleistung ist entscheidend, sollen doch Steuern genau das leisten, was der Markt nicht über den freiwilligen Tausch schafft. Zudem sind Steuerpflichtige nicht immer auch Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, und nur letztere bestimmen die Ausgabenpolitik. Andernfalls würden Ausländer in der Schweiz keine Steuern zahlen, Auslandsschweizer hingegen schon. Die Trennung von Steuer- und Ausgabenpolitik hat also gute Gründe. Während Lenkungssteuern kein Geld verdienen, ist die (nachhaltige) Verwendung von Fiskalsteuern also keine steuerpolitische, sondern eine ausgabenpolitische Frage.

Nachhaltigkeit der Steuer-Erhebung

Bleibt die Frage, ob für Nachhaltigkeit in der Steuer-Erhebung Raum sein könnte. Hier sei vor allem an Wirtschaftlichkeit gedacht. In der Tat bietet ein kosteneffizienter Steuer-Vollzug in der Schweiz Potenzial für Verbesserungen, etwa bei der Digitalisierung. Noch wichtiger als ein nachhaltiges Besteuerungsverfahren sind jedoch nachhaltige Besteuerungsobjekte. Hier vor allem muss die Schweiz ökonomisch nachhaltiger werden! Denn mit Stempel- und Verrechnungssteuer gibt es gleich zwei Abgaben, die schlicht das Falsche verteuern: Investitionen. Dabei ist die Abschaffung einer Steuer auf Investitionen doch selbst eine Investition, denn sie rentiert sich durch mehr Steuern auf mehr Wohlstand. Stempel- und Verrechnungssteuer sind deshalb Lehrbeispiele für eine ökonomisch nicht nachhaltige Steuerpolitik. Hier ist für Nachhaltigkeitsfragen in der Steuerpolitik viel Raum.

Wo Steuern zur Nachhaltigkeit beitragen können

ESG soll Externalitäten in realwirtschaftliche Tätigkeiten einpreisen und so das Verhalten der Wirtschaftsakteure beeinflussen. Um die Probleme an der Wurzel zu packen, sollte dies aber marktwirtschaftlichen Prinzipien folgen. Nur so wird das Investitionsdilemma zwischen Nachhaltigkeit und finanzieller Attraktivität einer Investition verhindert. Für den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft können auch steuerliche Elemente ein Mittel sein. Dazu bedarf es aber einer Ausgestaltung, welche die ökonomischen Anreizwirkungen versteht, sorgfältig trennt und klug einsetzt. Denn Steuern sind stets nur ein Modell der ökonomischen Wirklichkeit, weshalb sie Externalitäten nie perfekt einpreisen können. Lenkungssteuern können unter bestimmten Umständen also durchaus als indirekte Finanzflüsse im Sinne des Pariser Klimaabkommens betrachtet werden. Sie sind aber in erster Linie ein Instrument im gesamten Policy Mix und müssen wohl überlegt und dosiert eingesetzt werden. Als konkretes Beispiel kann eine CO2-Lenkungsabgabe auf fossile Energieträger hervorgehoben werden.

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