Betrug im Zeitalter von KI: schneller, schlauer – und unmöglich zu ignorieren
«Ist Betrug heute wirklich schlimmer als noch vor fünf Jahren?», das war eine der ersten Fragen, die ich während unseres Programmpunkts am Digital Finance Day stellte. Sie gab die Richtung einer Diskussion vor, die bald nicht nur das Ausmass, sondern auch die Geschwindigkeit der Veränderungen in der Betrugslandschaft zeigte.
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Sandy Lavorel (Vyntra) spricht am Digital Finance Day
Um diese Entwicklungen detailliert zu beleuchten, teilten vier Betrugsexpertinnen und -experten ihre Erkenntnisse. Dabei wurde unmissverständlich klar:
Betrug hat eine neue Dimension erreicht – eine, die durch industrialisierte kriminelle Netzwerke, Verhaltensmanipulation und KI-gesteuerte Angriffe geprägt ist.
Wie hat sich die Lage der Bedrohung verändert?
Von Anfang an waren sich die Experten einig: Betrug nimmt überall zu. Die gemeldeten Fälle steigen an, die Angriffe sind besser aufeinander abgestimmt und Social Engineering bleibt der wirkungsvollste Eintrittspunkt. Besonders bemerkenswert fand ich, wie sehr das Panel die Industrialisierung von Betrug betonte. Einer der Teilnehmer sagte: «Was früher von Einzelbetrüger gemacht wurde, ist jetzt industrialisiert.»
Ganze grenzüberschreitende Syndikate haben sich mittlerweile auf Logistik, Personalbeschaffung, Krypto-Geldwäsche und sogar die technische Infrastruktur hinter Betrügereien spezialisiert. KI beschleunigt diesen Wandel, denn sie erlaubt Betrügern, überzeugende Nachrichten zu verfassen, die Opfer mit personalisiertem Phishing gezielt anzusprechen, Deepfakes zu erstellen und ihre Vorhaben nahezu ohne Kosten zu skalieren.
Was tun also Banken, um ihre Kundschaft zu schützen?
Die Diskussion machte deutlich, dass Banken die Herausforderung aus unterschiedlichen Richtungen angehen. Ein Vertreter beschrieb die Herangehensweise als Triade aus Prävention, Aufdeckung und Reaktion. Gestützt wird dies durch eine starke Authentifizierung sowie eine klare Kommunikation mit der Kundschaft.
Aber der Schwerpunkt liegt darauf, das Niveau hochzuhalten: «Unsere Systeme entwickeln sich stetig weiter; wir geben allerdings keine Details zu den operativen Ebenen öffentlich preis. Worauf es ankommt, ist, dass wir stark in Aufdeckungsmodelle, Aufklärung der Kundschaft und strenge Rückruf- und Verifizierungsverfahren investieren.»
Eine Expertin fügte hinzu, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Branche immer wichtiger wird: von gemeinsamen Betrugsbewertungsmodellen bis zu neutralen, landesweiten Aufklärungskampagnen.
Und welche Rolle spielt KI auf der Seite der Verteidigung?
Interessanterweise ist KI sowohl das Problem als auch die Lösung. Auf der Verteidigungsseite hilft KI, emotionale Manipulation in Zahlungsnachrichten zu erkennen, ungewöhnliche Verhaltensmuster zu markieren, Deepfakes zu identifizieren und Untersuchungsvorgänge zu automatisieren.
Ein Experte formulierte es auf eine Art und Weise, die mir in Erinnerung blieb: «Es ist nie: KI oder Menschen. Die Zukunft ist hybrid.» Intelligentere Systeme, besser geschulte Mitarbeitende und eine besser informierte Kundschaft bilden gemeinsam das entstehende Verteidigungsmodell.
Wer ist verantwortlich, wenn etwas schiefgeht?
Dies war eine der am meisten debattierten Publikumsfragen. Das Panel war sich einig, dass die Verantwortung geteilt wird: Betrüger nutzen psychologische Mechanismen aus, Plattformen ermöglichen die Reichweite und Kunden unterschätzen häufig die Risiken. Banken können Barrieren errichten – und das tun sie auch. Aber diese Barrieren sind nicht undurchdringbar. Ein Experte bemerkte: «Wir müssen damit aufhören, so zu tun, als wären alle immun. Emotionen hebeln die Logik aus. Und genau darauf haben es Betrüger abgesehen.»
Blick nach vorne
Der Programmpunkt endete mit einem nüchternen, jedoch pragmatischen Kommentar: KI wird Betrug raffinierter machen, aber sie bietet auch Verteidigungsmöglichkeiten, die es vorher nicht gab. Bei diesem Wettrennen geht es nicht darum, Betrug vollständig auszumerzen, sondern vielmehr darum, schneller, schlauer und koordinierter zu agieren als die Kriminellen.
Eine der Teilnehmerinnen fasste zusammen:
«Unsere stärkste Waffe ist das Bewusstsein auf allen Ebenen: bei den Systemen, Mitarbeitenden und Kunden.»
Dominik Müller, Junior Policy Advisor Digital Finance bei der Swiss Bankers Association.