Von Pilotprojekten zur Produktion: KI im Schweizer Finanzwesen skalieren
Eine neue Studie von SFTI und OST, unterstützt von ELCA, zeigt, wie Schweizer Finanzinstitute vom Ausprobieren zum Umsetzen gelangen können – und was zum Erfolg führt, sobald sie KI in der Produktion einsetzen.
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Künstliche Intelligenz (KI) verändert unser Leben rasant. Dennoch bleiben trotz wachsender Investitionen und Begeisterung die meisten KI-Initiativen in der Schweizer Finanzdienstleistungsbranche in der Proof-of-Concept-Phase (PoC) stecken. Eine neue Studie von Swiss FinTech Innovations (SFTI) und dem IFL Institut für Finance und Law der Fachhochschule Ostschweiz (OST), unterstützt von ELCA Advisory, untersucht, warum und zeigt auf, wie Institutionen diese «KI-Implementierungslücke» schliessen können.
Die Studie namens AI from PoC to Production – Bridging the Deployment Gap in Swiss Financial Services (KI vom Proof of Concept bis zur Produktion – die Implementierungs-lücke in der Schweizer Finanzdienstleistungsbranche) basiert auf einer Umfrage unter SFTI-Mitgliedern und ausführlichen Experteninterviews. Sie offenbart ein interessantes Paradox: Während die Zahl der KI-Pilotprojekte stark zugenommen hat, ist der Anteil der Anwendungsfälle im Produktivbetrieb, verglichen mit unserer Studie aus dem Jahr 2024, zurückgegangen. Im Jahr 2025 befinden sich etwa 40 % aller KI-Initiativen noch in der Ideations- oder Machbarkeitsanalysephase, während nur 17 % die Implementierungsphase und 11 % die Skalierungsphase erreicht haben (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Die Verteilung der KI-Initiativen zeigt eine deutliche Verlagerung zu frühen Prozessen: Es gibt mehr Projekte in den Ideations- und Pilotphasen und weniger Projekte, welche die Implementierungs- und Skalierungsphasen erreichen.
Weniger und besser vorbereitete Implementierungen
Diese Verlagerung ist nicht zwangsläufig negativ. Institutionen werden selektiver und konzentrieren sich auf weniger, dafür besser vorbereitete Initiativen. Die Studie ergab, dass 65 % der Produktionsfälle die Erwartungen erfüllten oder übertrafen – ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Potenzial der KI mit disziplinierter Governance und solider Vorbereitung erfolgreich in Produkte überführt werden kann. «Es gilt ganz klar Qualität vor Quantität», meinte ein Teilnehmer.
Der entscheidende Unterschied, ob ein Pilotprojekt scheitert oder zu einer skalierten Produktion heranwächst, liegt laut der Studie in der sogenannten institutionellen Bereitschaft: der Fähigkeit, Datenqualität, Governance und Geschäftsziele aufeinander abzustimmen. Institutionen mit klar definierten Business Cases, soliden Datenfundamenten und Compliance-by-Design-Prozessen handeln schneller und erzielen eine grössere Wirkung sowie einen höheren Geschäftswert.
Daten und Governance im Mittelpunkt
Datenschutz, -sicherheit und -qualität bleiben die grössten Hindernisse für die Skalierung. Fragmentierte Datenlandschaften, verbunden mit komplexen Genehmigungsprozessen, verlangsamen häufig den Fortschritt. Zudem spielt die Regulierung eine Doppelrolle: Sie erhöht die Komplexität, sorgt aber gleichzeitig für Vertrauen. Die FINMA-Richtlinie 08/2024 zur KI-Governance gibt eine klare Richtung vor. Dabei setzt sie auf Verantwortlichkeit, Transparenz und Erklärbarkeit.
Die Studie identifiziert vier Dimensionen, die zum Erfolg führen:
- strategische Ausrichtung
- Daten- und MLOps-Infrastruktur
- Governance und Compliance
- Einführung und Skalierung
Zusammen bilden sie einen ganzheitlichen Rahmen. Er wird durch sieben praktische Handlungsschritte – von «produktionsorientiertem Design» zu «Portfolio-Governance» – unterstützt, wie in der Studie dargelegt. Diese Vorgaben helfen Institutionen dabei, ihre grundlegenden Investitionen zu priorisieren, bevor sie ihr KI-Portfolio erweitern.
Von den Grundsätzen zur Praxis
Ein wiederholtes Gesprächsthema mit Branchenexpert:innen während des «Digital Finance Day 2025» war, dass der Erfolg der KI-Strategie von ihrer Operationalisierung und Einbettung abhängt. Statt isolierte Pilotprojekte zu entwickeln, sollten Institutionen KI-Anwendungsfälle mit klaren Implementierungskriterien und messbaren KPIs gestalten – und Compliance frühzeitig einbeziehen. Wie ein Teilnehmer bemerkte: «Ein PoC sollte der erste Produktionsschritt sein und kein beiläufiges Experiment.»
Zusammenarbeit als Katalysator
Schliesslich unterstreicht die Studie, wie wichtig Zusammenarbeit ist. Über Plattformen wie SFTI können Banken gemeinsame Standards entwickeln: Governance-Vorlagen, Checklisten für den Erfolg sowie Bewertungen des Reifegrads eines Projekts. Dadurch wird Mehrfacharbeit verringert und der Fortschritt im gesamten Ökosystem beschleunigt.
Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: KI in der Schweizer Finanzdienstleistungsbranche ist in die Konsolidierungsphase eingetreten. Die Herausforderung besteht nun nicht mehr darin, herauszufinden, was KI alles kann. Es geht vielmehr darum, sicherzustellen, dass sie die versprochenen Vorteile liefert: sicher, messbar und skalierbar.
Vollständige Studie: AI from PoC to Production – Bridging the Deployment Gap in Swiss Financial Services, verfügbar unter https://swissfintechinnovations.ch/projects/bridging-the-ai-poc-production-gap-keys-to-deployment-success-in-swiss-financial-industry/
Dr. Stefan Neumann, OST
Dr. Stefan Neumann ist Dozent und Forscher am Institut für Finance und Law der OST. Seine Schwerpunkte sind digitale Finanzen, KI-Governance und Compliance. Er hat viel Erfahrung in Führungspositionen in der Bank-Compliance sowie in der Prävention von Finanzkriminalität.
Patrik Schmid, ELCA Advisory
Patrik Schmid ist Senior Client Engagement Manager bei ELCA Advisory, wo er sich auf KI-Governance, digitale Transformation und Technologiepolitik konzentriert. Er berät Finanzinstitute dazu, wie sie KI sicher und skalierbar einführen.