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26.06.2025

“Die Hunde mögen bellen, aber die Karawane zieht weiter” 

Während die EU ihre Nachhaltigkeitsstrategie wieder vom Kopf auf die Füsse stellt, wartet der Bundesrat diese Entwicklung erst einmal ab. Währenddessen trägt die Selbstregulierung zur Vermeidung von Greenwashing erste Früchte. 

Nicht ganz überraschend hat der in den letzten Monaten in den Medien angestimmte Abgesang auf nachhaltige Anlageprodukte und -lösungen nachgelassen. Jede mediale Emotionalisierung findet früher oder später ihr Ende. Wie immer empfiehlt sich für echtes Verstehen ein kühler Blick hinter die Kulissen, um die zugrundeliegenden Kräfte zu verstehen, welche für langfristige Entwicklungen massgeblich sind. Und was können wir hier beim Thema Sustainable Finance beobachten?

Die EU bleibt auf Kurs 

Die EU arbeitet aktuell sehr konsequent und mit Hochgeschwindigkeit an ihrer Omnibus-Regulierung, welche die überbordende Bürokratie reduzieren soll, die zuvor durch ein unkoordiniertes Produzieren von Nachhaltigkeitsregulierung im Rahmen des Green Deal verursacht worden ist. Zugegeben: Optimal ist diese Vorgehensweise nicht. Allerdings ist es doch ein Beleg dafür, dass die EU in der Lage ist, vergleichsweise schnell nachzujustieren. Besonders spannend ist es dabei die Reaktion der Wirtschaft zu beobachten: Von vereinzelten Stimmen abgesehen ruft niemand nach dem Vorschlaghammer, um alles wieder einzureissen. Vielmehr bildet sich gerade zwischen der Finanzbranche und Unternehmen der Realwirtschaft in kurzer Zeit ein Konsens heraus, was notwendig und gleichzeitig auch realistisch ist.

Der Bundesrat wartet die Entwicklungen ab 

Das alles hat auch direkte Auswirkungen auf die Regulierung in der Schweiz. Der Bundesrat hat nämlich an seiner Sitzung vom 21. März 2025 entschieden, mögliche Änderungen an der aktuellen Gesetzgebung betreffend Umweltschutz und Menschenrechte bei Unternehmen erst zu beschliessen, «sobald die EU über ihre angekündigten Vereinfachungen entschieden hat, spätestens jedoch im Frühjahr 2026.» Zur Vermeidung eines kostspieligen Swiss Finish ist dies sicherlich die richtige Strategie.  

Die Selbstregulierung trägt erste Früchte 

Dieser «Marschhalt» bedeutet aber nicht, dass es auf dem Gebiet der Sustainable Finance in der Schweiz zu einem effektiven Stillstand gekommen ist. Im Gegenteil: Die Selbstregulierungen zur Verhinderung von Greenwashing von der Schweizerischer Bankiervereinigung, der Asset Management Association Switzerland sowie dem Schweizerischem Versicherungsverband werden aktuell von deren Mitgliedern umsetzt. Dass diese pragmatische Herangehensweise im Vergleich zum EU-Ansatz nicht nur einfacher, sondern auch zielführender zu sein scheint, darauf deuten Ergebnisse der am 10 Juni 2025 veröffentlichten Studie zur Erhebung von Nachhaltigkeitspräferenzen bei Banken der Hochschule Luzern hin. Bei den 14 untersuchten Banken äusserten im Durchschnitt 47 Prozent der Kundschaft eine Präferenz für Anlagelösungen, bei denen ökologische, soziale und Governance-Aspekte (abgekürzt mit ESG) berücksichtigt werden, wobei der Anteil zwischen den Banken mit Werten zwischen 20 und 90 Prozent erhebliche Schwankungen aufweist. Dies korrespondiert mit Werten aus schweizweiten Befragungen von Anlagekundinnen und -kunden. und lässt daher den Schluss zu, dass die Banken dank der Selbstregulierung die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden korrekt erfassen. Dies steht im Kontrast zu Erfahrungen, die mit der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz auf der Basis von EU-Recht (MiFID II) gemacht wurden: Hier schwanken die Werte zwischen fünf und 20 Prozent. Das legt die Vermutung nahe, dass die Selbstregulierung in der Schweiz eine wesentlich stärkere Bedürfnisorientierung und Praxistauglichkeit im Vergleich zum europäischen Vorgehen aufweist.

Worte – und Taten 

Was bedeuten diese geäusserten ESG-Präferenzen in harten Schweizer Franken ausgedrückt? Hier kommt die neue Marktstudie von Swiss Sustainable Finance zu einem klaren Ergebnis: 2024 stiegen die nachhaltigen Anlagevermögen in der Schweiz um 13 Prozent, wobei das Wachstum bei den Anlagefonds 17 Prozent und bei den (auch institutionellen) Mandaten 19 Prozent betrug. Und worauf führen die Assetmanager dieses Wachstum zurück? An erster Stelle nennen sie die Nachfrage von Kundinnen und Kunden (83 Prozent), gefolgt von der (Selbst-)Regulierung (73 Prozent) beziehungsweise der aktiven Ansprache durch die Banken, wodurch ein zusätzlicher Anreiz besteht, eine entsprechende Produktpalette zur Verfügung zu stellen. Insbesondere die Retailanlegerinnen und -anleger sind im vergangenen Jahr – wohl auch bedingt durch die Selbstregulierungen – aktiv geworden: Ihr Anteil stieg nach recht konstanten 28 Prozent in den letzten vier Jahren auf 33 Prozent. Das alles ist natürlich kein langfristiger Beweis, zusammen mit den anderen Faktoren lässt sich aber sagen, dass sich Sustainable Finance fest in der Breite etabliert hat und aufgrund seiner Wandlungsfähigkeit weiterwachsen sollte. Daher: Die Hunde mögen bellen, aber die Karawane zieht weiter.  

Anteil Kunden mit ESG-Präferenz bei den untersuchten Banken. 
Quelle: B. Mattmann, M. Stüttgen, N. Berchtold (2025)  

Sustainable FinanceInsight

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