Meinungen
17.12.2021

Abstimmung über die Änderung der Stempelabgaben: «Wesentlich ist, dass wir das Einbringen von produktivem Kapital honorieren» 

Am 13. Februar 2022 steht mit der Abstimmung über die Änderung der Stempelabgaben ein wegweisender politischer Entscheid an. Dabei geht es um die Frage, ob die Emissionsabgabe auf Eigenkapital, die breite Teile der Schweizer Wirtschaft betrifft, abgeschafft werden soll. IT-Unternehmerin und Nationalrätin Judith Bellaiche (glp/ZH) erläutert, welche Chancen eine Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital bietet.
Beitrag vonNicholas John
Judith Bellaiche, Nationalrätin glp & Geschäftsführerin Swico 

Was war die Motivation des Parlaments, die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital zu beschliessen?

Judith Bellaiche: Es ist schon seit fast 10 Jahren ein Anliegen des Parlaments, die Emissionsabgabe abzuschaffen, aber das Geschäft wurde Jahr um Jahr verzögert. Die Pandemie hat nun endlich Bewegung in die Sache gebracht, denn wir mussten erkennen, wie wichtig gesund finanzierte Unternehmen für die Schweiz sind. Nicht nur während der Krise, sondern auch danach. Jetzt kommt eine wichtige Phase, in der die Wirtschaft wieder Investitionen tätigen und Innovationen finanzieren muss. Eine steuerliche Abstrafung gefährdet diese Bemühungen.

Um was geht es?

Am 13. Februar 2022 stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über die Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben ab.

Unternehmen brauchen Kapital, um zum Beispiel Investitionen zu tätigen oder Verluste zu decken. Wenn ein Unternehmen Eigenkapital beschafft, indem es Aktien oder dergleichen ausgibt, erhebt der Bund heute eine Steuer: die Emissionsabgabe. Diese beträgt ein Prozent des aufgenommenen Kapitals.

Bundesrat und Parlament wollen die Emissionsabgabe abschaffen, damit Unternehmen neues Eigenkapital aufnehmen können, ohne darauf Steuern bezahlen zu müssen. Das senkt die Investitionskosten, was sich positiv auf Wachstum und Arbeitsplätze auswirkt. Zudem kommen Unternehmen mit viel Eigenkapital besser durch Krisen als Unternehmen mit wenig Eigenkapital, weil sie mehr Reserven haben.

Was ist für Sie das stichhaltigste Argument für die Abschaffung?

Wesentlich für mich ist, dass wir das Einbringen von produktivem Kapital honorieren müssen und nicht abstrafen dürfen. Unsere Unternehmen und unsere Wirtschaft sind auf Investitionskapital angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist widersinnig Geld gleich wieder abzuführen, das man in einen Betrieb investieren will.

Nebst Ihrem Mandat als Nationalrätin, sind Sie auch Unternehmerin und Vertreterin der IT-Branche. Können Sie uns an einem Beispiel veranschaulichen, wie sich die Emissionsabgabe für Unternehmen derzeit auswirkt?

Besonders wichtig ist Investitionskapital für KMU und Startups. Will ein solches Unternehmen eine grosse Anlage bauen oder sein Geschäft international skalieren, benötigt es Investoren, die Kapital einbringen. Hat das Unternehmen jedoch das nötige Geld beisammen, muss es umgehend 1% auf dieses Kapital dem Steueramt abliefern. Und das, bevor es einen einzigen Franken Umsatz damit gemacht hat! Das führt dazu, dass Investitionen in Schweizer Unternehmen weniger attraktiv sind – oder sich die Unternehmen mit Fremdkapital finanzieren müssen.

Die Referendumsführerinnen und Referendumsführer argumentieren, dass vor allem die Grosskonzerne und der Finanzplatz von einer Abschaffung profitieren würden und die Schweiz sich diese Reform überhaupt nicht leisten könne. Können Sie diese Aussagen entkräften?

Dem Referendumskomitee fehlen sachliche Argumente, deshalb greifen sie auf ihre bekannte Kampfrhetorik der Grosskonzerne als angebliche Profiteure zurück. Fakt ist, dass vor allem KMU und Jungunternehmen unter der Emissionsabgabe leiden. Insgesamt entgehen dem Bund CHF 250 Mio. Steuern – das ist ein Klacks im Vergleich zu den Kosten, die er für die Rettung von schwach kapitalisierten Unternehmen während der Pandemie aufbringen musste!

Das Referendum ist auch deshalb verstörend, weil die Emissionsabgabe dazu führt, dass Schulden gegenüber Eigenkapital bevorzugt werden. Leben auf Pump oder Wirtschaften auf Pump ist aus meiner Sicht nichts, das die Politik besonders fördern sollte.

Welche Chancen bietet die Abschaffung der Emissionsabgabe?

Stellen Sie sich vor, wie viele Arbeitsplätze mit den CHF 250 Mio. durch die Unternehmen geschaffen werden könnten, wenn dieses Geld den KMU nicht mehr entzogen würde!

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Judith Bellaiche ist Geschäftsführerin des Wirtschaftsverbands Swico, der die Digitalisierungsanbieter der Schweiz vertritt. Zudem ist sie seit 2019 Nationalrätin für die glp und engagiert sich speziell für eine fortschrittliche und nachhaltige Digitalisierung und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz. Zuvor war sie acht Jahre Kantonsrätin in Zürich sowie Exekutivmitglied in ihrer Wohngemeinde Kilchberg. Bellaiche hat in Basel Jus studiert und ihre Ausbildung mit einem Executive MBA an der Universität St. Gallen ergänzt.

Informationsanlass für unsere Mitglieder/für Bankmitarbeitende: “Welche Chancen bietet die Änderung der Stempelabgaben?”

Am 13. Februar 2022 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Änderung der Stempelabgaben ab. Es geht dabei um die Frage, ob die Emissionsabgabe auf Eigenkapital abgeschafft werden soll. Die Schweizerischen Bankiervereinigung lädt deshalb am 17. Januar 2022 zum Informationsanlass ein: Hier für den Informationsanlass anmelden

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Autoren

Nicholas John
Ehem. Public Affairs Manager