Abstimmung über die Änderung der Stempelabgaben: «Wesentlich ist, dass wir das Einbringen von produktivem Kapital honorieren»
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Was war die Motivation des Parlaments, die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital zu beschliessen?
Judith Bellaiche: Es ist schon seit fast 10 Jahren ein Anliegen des Parlaments, die Emissionsabgabe abzuschaffen, aber das Geschäft wurde Jahr um Jahr verzögert. Die Pandemie hat nun endlich Bewegung in die Sache gebracht, denn wir mussten erkennen, wie wichtig gesund finanzierte Unternehmen für die Schweiz sind. Nicht nur während der Krise, sondern auch danach. Jetzt kommt eine wichtige Phase, in der die Wirtschaft wieder Investitionen tätigen und Innovationen finanzieren muss. Eine steuerliche Abstrafung gefährdet diese Bemühungen.
Um was geht es?
Was ist für Sie das stichhaltigste Argument für die Abschaffung?
Wesentlich für mich ist, dass wir das Einbringen von produktivem Kapital honorieren müssen und nicht abstrafen dürfen. Unsere Unternehmen und unsere Wirtschaft sind auf Investitionskapital angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist widersinnig Geld gleich wieder abzuführen, das man in einen Betrieb investieren will.
Nebst Ihrem Mandat als Nationalrätin, sind Sie auch Unternehmerin und Vertreterin der IT-Branche. Können Sie uns an einem Beispiel veranschaulichen, wie sich die Emissionsabgabe für Unternehmen derzeit auswirkt?
Besonders wichtig ist Investitionskapital für KMU und Startups. Will ein solches Unternehmen eine grosse Anlage bauen oder sein Geschäft international skalieren, benötigt es Investoren, die Kapital einbringen. Hat das Unternehmen jedoch das nötige Geld beisammen, muss es umgehend 1% auf dieses Kapital dem Steueramt abliefern. Und das, bevor es einen einzigen Franken Umsatz damit gemacht hat! Das führt dazu, dass Investitionen in Schweizer Unternehmen weniger attraktiv sind – oder sich die Unternehmen mit Fremdkapital finanzieren müssen.
Die Referendumsführerinnen und Referendumsführer argumentieren, dass vor allem die Grosskonzerne und der Finanzplatz von einer Abschaffung profitieren würden und die Schweiz sich diese Reform überhaupt nicht leisten könne. Können Sie diese Aussagen entkräften?
Dem Referendumskomitee fehlen sachliche Argumente, deshalb greifen sie auf ihre bekannte Kampfrhetorik der Grosskonzerne als angebliche Profiteure zurück. Fakt ist, dass vor allem KMU und Jungunternehmen unter der Emissionsabgabe leiden. Insgesamt entgehen dem Bund CHF 250 Mio. Steuern – das ist ein Klacks im Vergleich zu den Kosten, die er für die Rettung von schwach kapitalisierten Unternehmen während der Pandemie aufbringen musste!
Das Referendum ist auch deshalb verstörend, weil die Emissionsabgabe dazu führt, dass Schulden gegenüber Eigenkapital bevorzugt werden. Leben auf Pump oder Wirtschaften auf Pump ist aus meiner Sicht nichts, das die Politik besonders fördern sollte.
Welche Chancen bietet die Abschaffung der Emissionsabgabe?
Stellen Sie sich vor, wie viele Arbeitsplätze mit den CHF 250 Mio. durch die Unternehmen geschaffen werden könnten, wenn dieses Geld den KMU nicht mehr entzogen würde!
Vielen Dank für dieses Gespräch.