Beziehungen Schweiz-EU
Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind sehr eng und vielfältig. In den letzten 25 Jahren wurden über 120 Abkommen unterzeichnet. Zudem wurden Ende 2024 die materiellen Verhandlungen zu den Bilateralen III zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen. Auch im Finanzbereich ist die EU für die Schweiz von grosser Bedeutung: Die EU gehört zu den wichtigsten Exportländern der Schweizer Banken. Fast 40% der von der Schweiz aus grenzüberschreitend verwalteten Vermögen stammen aus Westeuropa. Leider gibt es für die Schweiz auf EU-Ebene derzeit keine Möglichkeit, aktiv grenzüberschreitende Bank- und Wertpapierdienstleistungen zu erbringen. Die heutige Regelung beschränkt die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung für EU-Anleger auf eine «passive Dienstleistungserbringung», d.h. ausschliesslich auf Initiative der Kundinnen und Kunden. Zudem wird der bestehende Marktzugang durch angepasste EU-Regulierungen laufend restriktiver gestaltet. Dies, obwohl der Marktzugang von der EU in die Schweiz (also umgekehrt) völlig offen ist.
Um einen verbesserten Marktzugang in die EU und damit Reziprozität zu erreichen, verfolgt der Bankensektor verschiedene, voneinander unabhängige Ansätze:
- Bilaterale Abkommen: Bilaterale Abkommen ermöglichen Verbesserungen des Marktzugangs mit einzelnen strategisch wichtigen EU-Ländern. Die Schweiz hat bisher mit Deutschland ein Abkommen über ein vereinfachtes Freistellungsverfahren abgeschlossen.
- Äquivalenzstrategie: Die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Regulierung ist Voraussetzung für den Zugang des gesamten Schweizer Finanzsektors zum EU-Markt. Die Schweizer Finanzmarktregulierung wird in zentralen Bestandteilen, jedoch noch nicht in ihrer Gesamtheit von der EU als äquivalent anerkannt (u.a. pendent: AIFMD 67, MIFIR 46/47, EMIR 13, CSDR 25). Die entsprechenden Anerkennungsverfahren sind einseitig, ineffizient und teilweise stark politisiert. Die SBVg setzt sich deshalb dafür ein, dass die bestehenden Äquivalenzanerkennungsverfahren im Finanzbereich verbessert und auf eine verlässlichere Basis gestellt werden. Zudem fordert die Wirtschaft eine vollständige Anerkennung der Äquivalenz der Schweizer Finanzmarktregulierung.
- «Onshore»-Präsenzen in EU-Ländern: Einige Schweizer Banken haben Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen in der EU gegründet, um ihre ausländischen Kunden vor Ort betreuen zu können.
Für die Branche steht derzeit jedoch der institutsspezifische Ansatz im Vordergrund. Die Schweizer Bankenbranche steht geschlossen hinter diesem Konzept, das basierend auf einer Registrierung bei einer EU-Aufsichtsbehörde interessierten Schweizer Instituten den Marktzugang in die EU ermöglicht.
Der Institutsspezifische Ansatz
Um das grenzüberschreitende Geschäft mit EU-Kundinnen und -Kunden aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen, sollte der institutsspezifische Marktzugangsansatz weiterverfolgt werden. Der institutsspezifische Marktzugang basiert auf einer einmaligen Registrierung interessierter Schweizer Banken bei einer zentralen EU-Behörde und einem Pass, der es den einzelnen so registrierten Schweizer Banken erlaubt, aktiv Bank- und Wertpapierdienstleistungen in der gesamten EU zu erbringen. Der Marktzugang würde sich auf alle relevanten Kundenkategorien, einschliesslich Privatkunden, erstrecken und sowohl die Betreuung bestehender Kunden als auch die Anwerbung und Akquisition neuer Kunden mit Domizil in der EU umfassen.
Im Rahmen der Registrierung würden sich die registrierten Schweizer Banken individuell verpflichten, bei der Betreuung von EU-Kundinnen und -Kunden die Anwendung des einschlägigen EU-Rechts zu akzeptieren und einzuhalten. Relevant sind in diesem Zusammenhang die EU-Verhaltensregeln zum Anlegerschutz, zur Marktintegrität und zu gleichen Wettbewerbsbedingungen. Zusätzlich zur primären Aufsicht durch die FINMA würden die registrierten Schweizer Banken für ihre grenzüberschreitende Tätigkeit in der EU einer zusätzlichen Aufsicht durch eine EU-Behörde unterstellt. Die Einzelheiten wären in einer Kooperationsvereinbarung zwischen den schweizerischen und den EU-Aufsichtsbehörden zu regeln. Dass der institutsspezifische Ansatz ein gangbarer Weg ist, hat der Bundesrat im Entwurf des Berichts Lagebeurteilung zu den Beziehungen Schweiz-EU vom 9. Dezember 2022 anerkannt (Seite 21).
Als Vorbild könnte das zwischen der Schweiz und Deutschland vereinbarte Freistellungsverfahren dienen. Deutschland bietet Nicht-EWR-Banken die Möglichkeit, eine Lizenzbefreiung gemäss den geltenden deutschen Gesetzen und Vorschriften zu erhalten. Auf der Grundlage eines Memorandum of Understanding zwischen den Aufsichtsbehörden der Schweiz und Deutschlands hat die Schweiz darüber hinaus Zugang zu weitergehenden Lizenzbefreiungen. Diese werden von der deutschen Aufsichtsbehörde BaFin gewährt. Befreite Institute können ohne Vermittlung eines in Deutschland lizenzierten Instituts grenzüberschreitend aktiv deutsche Kunden akquirieren und betreuen. Dabei müssen sie weitgehend die deutschen regulatorischen Vorschriften einhalten. Ihr grenzüberschreitendes Geschäft wird zusätzlich von Schweizer Revisionsgesellschaften geprüft und die BaFin hat gewisse eigene Prüfungskompetenzen.
Eine mögliche Alternative wäre die Schaffung eines EU-Registrierungssystems, wie es beispielsweise in den USA bereits existiert. Der US Investment Advisers Act von 1940 ermöglicht es ausländischen Finanzinstituten und ihren Anlageberatern, grenzüberschreitend ihre Vermögensverwaltungs- und Beratungsdienstleistungen in den USA anzubieten. Interessierte Finanzinstitute müssen sich bei der US-Securities and Exchange Commission (SEC) oder einer staatlichen Aufsichtsbehörde registrieren lassen. Die registrierten Finanzinstitute und ihre Anlageberater sind wiederum verpflichtet, im Geschäft mit US-Kunden das US-Recht anzuwenden.