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29.09.2021

Krypto und Steuern? Eine Entschlüsselung

Bitcoin & Co. sind in aller Munde, markieren aber erst den Anfang. Warum der Trend auch Steuern umwälzt und genau jetzt neue Pfade betritt.

Was sind Krypto-Assets?

Ein Krypto-Asset ist, vereinfacht gesagt, nichts anderes als eine Information über einen realen Wert. Dieser kann alles sein: Geld (z.B. eine Krypto-Währung), eine Leistung (z.B. ein Gutschein), ein Finanzwert (z.B. eine Aktie) oder ein physischer Wert (z.B. ein Grundstück). Die Information wird ihrerseits von einem Datensatz getragen und kann somit elektronisch verarbeitet werden. Der Datensatz ist also nur ein Medium für die Information, die selbst nur ein Medium für den realen Wert ist. Dieses Prinzip klingt kompliziert, ist aber alles andere als neu. Vergleichbare Beispiele aus der altbekannten Praxis sind die Aktie im Bankdepot oder der Eintrag im Liegenschaftsregister. Sie existieren längst nicht mehr physisch, sondern nur noch als blosse Datensätze im Computer der Bank beziehungsweise der Liegenschaftsverwaltung. Dort verkörpern sie die Aktie beziehungsweise den Eintrag im Liegenschaftsregister, die aber selbst nur «Stücke Papier» sind und ihrerseits einen Anteil am realen Unternehmen beziehungsweise der realen Liegenschaft dokumentieren.

Aus steuerlicher Sicht relevant und neu am Phänomen der Krypto-Assets ist hingegen,

  • dass alle realen Werte in einem einheitlichen Format (sogenannte «Token») verkörpert werden und
  • dass diese Token, da sie elektronisch verarbeitet werden können, keine zentralen Vermittler (im Beispiel die Bank und das Liegenschaftsregister) mehr zwischen den Endparteien benötigen.

Man kann sich Token also als standardisierte (elektronische) Urkunden vorstellen, mittels derer alle durch sie verkörperten Werte sofort und direkt zwischen den Endparteien übertragen werden können. Der Transfer des betreffenden Wertes ist wegen der Vertragsfreiheit auch rechtswirksam, weshalb sich die Steuer dem Thema nicht entziehen kann.

Vereinfacht gesagt, wird mit jeder Transaktion eine neue Kontrollsumme («block») kryptographisch ermittelt und dem öffentlichen («distributed») Transaktionsprotokoll («ledger») hinzugefügt («chain»). Indem jede Kontrollsumme so in die jeweils nächste weiterverrechnet wird, entsteht ein fälschungssicheres und dezentrales Transaktionsregister.

Welche Rolle spielen Krypto-Assets in der Steuerwelt?

Wie erwähnt, ist das Grundprinzip der Krypto-Assets an sich nichts Unbekanntes. Deshalb repräsentieren sie auch nichts, das in der Steuerwelt materiell neu wäre. Denn Steuern sind ein (rechtliches) Modell wirtschaftlicher Vorgänge, bilden sie doch die realen Werte ab und nicht deren «Verpackung». Die realen Werte, beziehungsweise die ihr innewohnende wirtschaftliche Essenz, haben sich durch die «Verpackung» Krypto-Assets nicht verändert: Das Unternehmen bleibt das Unternehmen, der Aktionär der Aktionär, die Liegenschaft die Liegenschaft und alle wirtschaftlichen Verhältnisse bleiben ebenfalls unverändert. Die Auswirkungen von Krypto-Assets in der Steuerwelt sind vielmehr ganz praktischer Natur. Sie ergeben sich aus den beiden oben genannten neuen Eigenschaften: Indem alle Arten von Werten gleichermassen durch Token verkörpert werden, ist nicht mehr offensichtlich, was ein Token im (wirtschaftlichen) Kern eigentlich repräsentiert. Wollte man ihn nochmals als Urkunde verstehen, so wäre diese schlimmstenfalls leer. Erst die Art, wie die Benutzer ihn verwenden, gibt dann Aufschluss über sein Wesen. So sind sich selbst Fachleute bis heute uneins, ob etwa Bitcoin eigentlich Geld ist oder irgendetwas anderes. Den Inhalt des Mediums aus seinem Kontext (rechtssicher) zu ermitteln, ist das erste praktische Problem. Das zweite resultiert daraus, dass Token keine zentralen Vermittler benötigen. Auf diese ist die Erhebung von Steuern aber bislang ausgelegt – man denke hier etwa an Banken, Arbeitgeber, Handelsplätze oder Verkäufer. Als Multiplikatoren führen sie alle mindestens Aufzeichnungen, erstatten Meldungen oder führen gar Steuern für Dritte ab. Das ist viel effizienter, da es weniger Unternehmen gibt als Menschen. Ein dezentrales, in sich verselbstständigtes, standardisiertes und zudem globales (Peer-to-Peer-)-Netzwerk fordert also weniger das Rechtssystem als solches heraus, sondern vielmehr dessen Vollzug.

Wo stehen wir heute?

Durch ihre liberale, technologie-offene und standort-bewusste Wirtschaftspolitik ist die Schweiz Vorreiterin im Krypto-Bereich. Daher hat sich die Eidgenössische Steuerverwaltung bereits in verschiedenen Arbeitspapieren der letzten Jahre gute Gedanken gemacht. Im Ergebnis sieht sie richtigerweise keinen aktuellen Handlungsbedarf. Dies dürfte nicht nur daran liegen, dass Krypto-Assets noch jung und konkrete Anwendungsfelder noch nicht sehr verbreitet sind. Vor allem aber ist die Schweiz aufgrund ihrer ausgeprägten Pflege der individuellen Eigenverantwortung traditionell zurückhaltend mit der Abwälzung steuerlicher Pflichten auf Dritte. Indem der Steuer-Vollzug im Inland also schon bisher überwiegend zwischen Bürger und Staat direkt stattfindet, ist er weniger anfällig für Disruptionen. Im Gegensatz dazu steht der internationale Ansatz, der sich wesentlich auf die gegenseitige Kontrolle und den Vollzug durch eben jene Vermittler abstützt. Hier spielen die Banken bekanntlich eine wichtige Rolle. So überrascht es denn auch nicht, dass die OECD dem Thema gleich doppelte Aufmerksamkeit widmet: Zum einen gibt es Überlegungen, den Automatischen Informationsaustausch auch auf bankverwahrte Krypto-Assets zu erweitern. Zum anderen wird über ein zweites, paralleles Meldesystem für den Transfer nicht bankverwahrter Krypto-Assets nachgedacht. Den konzeptionellen Schnittpunkt dieser beiden Meldesysteme bildet die Idee des Open Banking, welches digitalisierte Finanzlösungen in die Banken-Landschaft integriert.

Wohin führt uns der Weg?

Und so öffnet sich gerade den Schweizer Banken derzeit eine neue steuerliche Weggabelung: Neben der Strasse des klassischen Bankgeschäfts entsteht ein noch wilder Pfad der Krypto-Assets. Die «Tokenisierung» der Wirtschaft erleichtert die Banken einerseits von ihrer unfreiwilligen Rolle als steuerliche Vollzugsgehilfen. Denn wer Finanztransaktionen nicht ausführt, dem fehlt das dafür wichtigste Mittel: Informationen. Folgerichtig wenden sich die Staaten nun auch den Technologie-Unternehmen für die Steuererhebung zu, deren Lösungen die Banken aber andererseits in ihre künftigen Plattformen integrieren. Die Geschwindigkeit und die Richtung dieser gegenläufigen Entwicklungen könnten steuerlich jenen Pfad dereinst in eine zweite Strasse verwandeln, während die des klassischen Bankgeschäfts allmählich zuwächst. Durch ihre unterschiedlichen Philosophien wird auch dieser Trend stärker von der internationalen Staatengemeinschaft getrieben sein als von der Schweiz selbst. Es bleibt deshalb abzuwarten, inwieweit ein solches Auseinanderdriften für die Schweizer Banken Wettbewerbsnachteile mit sich bringt oder – paradoxerweise – gar ihren Ausschluss von Innovation und Strukturwandel «made in Switzerland».

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