Meinungen
30.06.2020

Goodbye LIBOR – Die Schweiz ist gut unterwegs

LIBOR hat ausgedient. Neben Dollar und Pfund ist auch der Franken betroffen. Mit Unterstützung der SNB arbeiten Marktvertreter in einer Arbeitsgruppe (National Working Group on Swiss Franc Reference Rates, NAG) seit mehreren Jahren an der Umstellung auf SARON.
Beitrag vonMichaela Reimann
Martin Bardenhewer, Leiter Institutional Clients & Multinationals ZKB, Co-Chair NWG


Welche Rolle spielen Referenzzinssätze wie LIBOR und SARON?

 Immer wenn es um Zinsen geht, ist LIBOR im Spiel. LIBOR ist  der mit Abstand wichtigste Zinssatz mit kurzer Laufzeit. Genauso wichtig ist er für mehrjährige Festzinssätze, denn diese sind nichts anderes als die Erwartung der Zinsentwicklung über die nächsten Jahre. Ein Referenzzinssatz ist der entscheidende Anker für Zinsen aller Laufzeiten. Daher spielt er solch eine entscheidende Rolle nicht nur für Banken, sondern für alle, die mit Finanzierungen und Investitionen zu tun haben.

Was wird sich mit dem SARON ganz konkret ändern?

Für die meisten Bankkundinnen und -kunden gar nicht so viel, für Anbieter von Zinsprodukten und allen voran Banken aber sehr viel. Bankkunden müssen sich an einen neuen Zins gewöhnen, den Compounded SARON. Das ist nichts anderes als der Durchschnitt des täglich fixierten SARON mit Zinseszinsberücksichtigung, weil er nicht täglich, sondern beispielsweise alle drei Monate bezahlt wird. Das wirklich Neue für mich als Kunde ist, dass ich meine Zinszahlung vollständig erst am Zinstermin kenne und nicht drei Monate vorher. Auf den zweiten Blick ist die Umgewöhnung gar nicht so gross, denn ich kenne ja schon in einer LIBOR-Hypothek die meisten Zinszahlungen nicht vorher.

Und für Banken?

Fast jedes Bankgeschäft hat mit Zinsen zu tun, egal ob im Finanzierungsgeschäft, im Anlagegeschäft oder im Investment Banking. Entsprechend gross ist die Anzahl der IT-Systeme, die von der Umstellung auf SARON betroffen ist. Viele Produkte müssen neu definiert werden; neben Hypotheken auch alle Arten von Firmenkrediten, Kapitalmarktinstrumente, Derivate für das Zinsrisikomanagement und weitere. Ausserdem müssen viele interne Abläufe und Methoden von LIBOR auf SARON umgestellt werden, beispielsweise das Zinsänderungsrisiko auf der Bilanz.

Wo stehen die Banken bei der Umstellung?

Nach meiner Einschätzung sind Schweizer Banken im Schnitt weiter als Banken in anderen Ländern. Wir haben uns für den CHF LIBOR früher als die anderen Währungen auf Standards einigen können. Gerade kommen laufend Banken mit SARON-Hypotheken auf den Markt und auch erste Banken mit SARON-Firmenkrediten. Standards und Marktinfrastruktur für SARON Swaps wurden zum Teil bereits vor zwei Jahren etabliert. Es liegt noch ein ordentlicher Berg Arbeit vor den Banken, aber wahrscheinlich sind bei den meisten die Projekte schon gut fortgeschritten. Ich gehe davon aus, dass wir nicht erst auf den letzten Drücker den grössten Teil der Ablösung des LIBOR abschliessen werden. Gegen Ende dieses aussergewöhnlichen Jahres sollten die meisten neuen Produkte auf dem Markt sein und LIBOR-Produkte eine deutlich geringere Rolle spielen.

Welche Herausforderung gibt es bzgl. der Umstellung?

Mir kommen drei Bereiche in den Sinn: Standards, Psychologie und Altlasten. Ohne Standards ist eine Umstellung unmöglich. Die Psychologie ist wichtig, weil wir uns daran gewöhnen müssen, dass eine Zinszahlung bei variablen Zinsen erst am Ende der aktuellen Zinsperiode feststeht und nicht wie bisher am Anfang. Und schliesslich dürfen wir nicht unterschätzen, dass es wie so oft auch hier einen hartnäckigen Rest an Verträgen geben wird, der sich besonders schwierig umstellen lässt.

Wie kann die NAG  die Umstellung unterstützen?

Wir haben die wesentlichen Standards für den Schweizerfranken bereits seit einem Jahr festgelegt. Zugleich kümmern wir uns intensiv um die Koordination mit den Arbeitsgruppen anderer Währungen, einige von unseren Standards wurden für Dollar und Pfund übernommen. Das ist für uns als kleiner, internationaler Währungsraum entscheidend. In der letzten Zeit haben wir viel Gewicht auf Kommunikation und rechtliche Abklärungen gelegt. Zukünftig werden wir uns wohl verstärkt damit beschäftigen, dass wir keine Altlasten im Schweizer Markt haben werden.

Was müssen Kundinnen und Kunden nun tun, wenn sie noch Libor-basierte Produkte haben (z.B. eine LIBOR-Hypothek)?

Wenn das LIBOR-Produkt vor Ende 2021 ausläuft, muss nichts unternommen werden. Andernfalls ist es jetzt an der Zeit, mit seiner Bank konkret die Umstellung auf ein SARON-Produkt zu besprechen. Die Umstellung sollte nicht erst auf Ende 2021 erfolgen.

InsightWirtschaft

Autoren

Michaela Reimann
Ehemalige Leiterin Public & Media Relations