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01.03.2022

Steuern und Nachhaltigkeit – eine Auslegeordnung

Das Thema ESG ist in aller Munde. Alle Facetten der Wirtschaft werden zunehmend nach den ESG-Kriterien «Environmental», «Social» und «Governance» durchleuchtet und kategorisiert. Dieser Trend erfasst zunehmend auch den Steuerbereich. Eine Auslegeordnung.

Der Erfolg vor allem von grossen und börsenkotierten Unternehmen soll nicht mehr ausschliesslich anhand des Gewinns für die Aktionäre gemessen werden. Stattdessen sollen Unternehmen zusätzlichen Ansprüchen eines immer weiteren Kreises von Stakeholdern über die Eigentümer hinaus gerecht werden. Diese Erwartungen werden zunehmend in Vorschriften oder Bewertungsstandards überführt. Insbesondere die EU mit ihrer Nachhaltigkeits-Taxonomie ist hier eine treibende Kraft, vor allem mit Fokus auf den ESG-Aspekt Umwelt.

Neben den Nachhaltigkeitsfaktoren im Bereich Umwelt («E» für «Ecological») und Soziales («S» für «Social») fällt unter den Begriff «G» für «Governance» die Gewährleistung einer guten Unternehmensführung. Es zeigt sich, dass in diesem ESG-Bereich zunehmend auch das Thema Steuern Beachtung findet. Unternehmen sind damit konfrontiert, dass der Faktor Steuern mehr als nur ein zu minimierender Kostenfaktor ist, sondern ein Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Verantwortung (Stichwort «Corporate Citizen»).

Für den Schweizer Finanzplatz haben die Entwicklungen rund um das Thema «Sustainable Finance» grosses Potential. Nachhaltigkeit bietet den Banken neue Chancen in allen relevanten Geschäftsfeldern, bei der Interaktion mit Kunden, Investoren und Lieferanten sowie als Arbeitgeber. Vor allem pflegen die Schweiz im Allgemeinen und der Finanzplatz im Besonderen in Bezug auf die Nachhaltigkeit bereits heute ein langfristiges Commitment, das den meisten anderen Ländern weit voraus ist. Diesen Wettbewerbsvorteil haben die Banken erkannt. Der Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Steuern zeichnet sich aus ihrer Sicht auf drei Ebenen ab.

Ebene Produkt

Am augenfälligsten ist dieser Zusammenhang auf der Produktebene am Beispiel der ESG-Ratings von Finanzprodukten. Mit einer einheitlichen Taxonomie würde Transparenz geschaffen für eine bessere Vergleichbarkeit der ESG-Auswirkungen verschiedener Finanzprodukte. Hier könnten sich auch steuerliche Anreize im Sinne einer Bevorzugung bestimmter Finanzprodukte nach Massgabe ihres ESG-Ratings abzeichnen. Ein Beispiel hierfür war ein Vorstoss1 im Schweizer Parlament, der die Stempelabgaben auf nachhaltigen Finanzprodukten abschaffen wollte, um diese zu fördern. Die Banken werden ihre Kunden künftig auch diesbezüglich beraten (Stichwort «Tax Suitability») und so aktiv zu den ESG-Zielen beitragen.

Ebene Unternehmen

Auch die Bank selbst hat ein ESG-Rating, welches zunehmend Beachtung findet. Dieser Bereich entwickelt sich ebenfalls rasant weiter unter dem Überbegriff «Tax Transparency». Ein Blick auf bisher unverbindliche Bewertungsstandards privater Ratingagenturen zeigt, dass der Fokus künftig auch auf der Steuerpraxis eines Unternehmens, dessen Prinzipien und Strukturen im Umgang mit Steuern sowie einer freiwillig erweiterten steuerlichen Transparenz liegen könnte. Adressaten sind hier einerseits die Investoren und andererseits die breite Öffentlichkeit.

Während verbindliche Pflichten für alle Unternehmen erst punktuell bestehen, legen einzelne diesbezüglich auf freiwilliger Basis vor. So publizieren beispielsweise manche global tätigen Konzerne bereits periodische «Tax Transparency» Berichte. Diese Entwicklung zeigt vor allem auch, dass die Unternehmen die ESG-Informationsbedürfnisse des Marktes von sich aus befriedigen und schwerfällige sowie pflegebedürftige Gesetze oft gar nicht nötig sind.

Ebene Zahlungsverkehr

Zusätzlich zur Ebene der Finanzprodukte und der Ebene des Unternehmens gehört in die Auslegeordnung auch die Rolle der Banken als Informationsinhaber über die finanziellen Transaktionen im Wirtschaftskreislauf. Generell sind in jüngster Zeit die Begehrlichkeiten an Informationsinhaber gestiegen. Entsprechend sehen sich beispielsweise der Technologie-Sektor und insbesondere die Social Media-Unternehmen zunehmendem Druck ausgesetzt, die Daten Dritter inhaltlich zu interpretieren und für sie Verantwortung zu übernehmen.

Im Gegensatz dazu ist eine derartige Entwicklung für die hoch sensiblen und persönlichen Informationen im Bankgeschäft im heutigen Europa und erst recht in der Schweiz undenkbar. Zu Recht handelt es sich nicht um eine sektorale Frage der Zweckmässigkeit, sondern um eine politische Frage der Wünschbarkeit. Es geht also nicht um Banken, sondern um das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, so wie dies etwa auch bei Ärzten oder Anwälten der Fall ist. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie weit der ESG-Trend in dieser Hinsicht gehen soll.

Der Mega-Trend ESG hat die Banken bereits vollständig erfasst. Aktuell ist die Wechselwirkung zwischen ESG und dem Steuerbereich noch auf wenige Bereiche beschränkt und die entsprechenden Aktivitäten der Unternehmen sind meist noch freiwillig. Das Thema Steuern wird aber zunehmend zu einem relevanten Faktor der ESG-Bestrebungen aller Unternehmen, auch der Banken. Diese haben den Handlungsbedarf und die Chancen auch im Steuerbereich erkannt und gestalten das Thema proaktiv.

SteuernSustainable Finance

Autoren

Andreas Rohrer
Policy Advisor Tax & Economic Policy
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